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Wolfgang Schmidt (SPD), Chef des Bundeskanzleramts, gilt als engster politischer Vertrauter des Bundeskanzlers und in Medienkreisen als bestens vernetzt. 

© dpa/Kay Nietfeld

Exklusiv

Keine verschwiegenen Runden mehr im Kanzleramt: Scholz-Vertrauter stoppt Treffen mit Journalisten

Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt lud häufiger Journalisten ein, um ihnen die „richtige“ Sicht auf den Kanzler nahezubringen. Damit ist wohl vorerst Schluss. Macht er als Privatmann weiter?

Der Chef des Bundeskanzleramts und Minister für besondere Aufgaben Wolfgang Schmidt (SPD) hat seinen bisher üblichen vertraulichen „Austausch“ mit ausgewählten Journalisten im Kanzleramt offenbar vorerst beendet. Das geht aus Antworten des Bundeskanzleramts an den Tagesspiegel hervor.

Demnach hat Schmidt in der Amtszeit von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) insgesamt zwölfmal zu sogenannten Hintergrundgesprächen eingeladen, zuletzt regelmäßig ein Mal im Monat. Seit Beginn 2024 finden jedoch keine Treffen mehr statt. Gründe dafür wurden zunächst keine angegeben.

Schmidt ist Scholz’ „Spindoktor“ und gilt als bestens vernetzt

Schmidt gilt als engster politischer Vertrauter des Bundeskanzlers und in Medienkreisen als bestens vernetzt. Er ist bekannt dafür, als „Spindoktor“ aus seiner Sicht falsche Berichterstattung über den Kanzler in die wiederum aus seiner Sicht richtige Richtung zu lenken. Von außen erkennbar wird das selten.

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Eine besondere Rolle spielt diese Praxis in der Cum-Ex-Steueraffäre der Hamburger Warburg-Bank und die damit verbundenen Vorwürfe an Scholz, als damaliger Bürgermeister unzulässig Einfluss auf die Hamburger Finanzbehörde genommen zu haben. Scholz bestreitet das.

Sein Vertrauter Schmidt hatte sich nach Tagesspiegel-Informationen unter anderem an die Spitze des NDR gewandt, um auf die Berichterstattung des Senders über mögliche Verwicklungen von Scholz einzuwirken. Weder der NDR noch das Bundeskanzleramt oder Schmidt wollen dies bisher bestätigen. Im Wahlkampf 2021 war Scholz’ Rolle in der Warburg-Affäre nur ein Randthema in den Medien.

Wieso kriege ich persönlich einen Anruf vom Ausputzer von Olaf Scholz, wenn die ZDF-Magazin-Royal-Redaktion Fragen ans Kanzleramt stellt? 

Jan Böhmermann, TV-Unterhalter, in einer Sendung des ZDF Magazin Royal, in der er mögliche Verwicklungen des Kanzlers in die Cum-Ex-Affäre thematisierte.

Grundsätzlich sind Minister und Kanzler wie auch andere Behördenvertreter nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts befugt, Journalisten im kleinen Kreis über Regierungsangelegenheiten zu informieren. Bei seiner Vernehmung vor dem Cum-ex-Untersuchungsausschuss in Hamburg vor zwei Jahren hatte Schmidt betont: „Der Austausch mit Journalistinnen und Journalisten gehört zu meinem Geschäft.“

Einen absolut geschützten „Austausch“ mit der Presse gibt es für Regierende nicht

Allerdings unterliegt dieser Austausch prinzipiell denselben Transparenzpflichten wie andere Amtsgeschäfte auch. Das Bundeskanzleramt hatte sich lange darauf zurückgezogen, es benötige dennoch absolut geschützte Journalisten-Hintergrundgespräche für seine Funktionsfähigkeit. Diese Position hat die Regierung nach Klagen des Tagesspiegels und drei Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts gegen den Bundesnachrichtendienst (BND) aufgegeben.

Mit dem letzten Urteil, dessen schriftliche Gründe seit Ende Januar vorliegen, hat das Gericht die Transparenzpflichten für Behörden-Hintergrundgespräche mit Journalisten weiter verschärft. Möglich, dass dies der Anlass für Schmidts Entscheidung war, die Gespräche nicht mehr im Kanzleramt fortzusetzen. Erst Mitte Januar hatte Scholz selbst im Kanzleramt die erste vertrauliche Journalisten-Runde in seiner Amtszeit veranstaltet.

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vertrauliche Hintergrundgespräche gab es mit Wolfgang Schmidt im Kanzleramt.

Die Aktivitäten des Kanzleramtschefs zu möglichen Cum-Ex-Verwicklungen von Olaf Scholz nehmen eine Sonderstellung ein. Auf Anfragen dazu erklärt das Bundeskanzleramt, es gebe nur Auskunft zu Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit des Bundeskanzleramts fielen. Dazu gehört die Hamburger Warburg-Affäre zwar formal nicht – wohl aber dann, wenn Schmidt für seine Maßnahmen auf Mittel des Kanzleramts zurückgreift, einschließlich der Räumlichkeiten.

Mit der Begründung ,außerdienstlich’ wird ein gesetzliches Auskunftsrecht einfach ausgehebelt. Das geht so nicht.

Gerhard Schick, Ex-Politiker und Vorstand der „Bürgerbewegung Finanzwende“

Möglich, dass Schmidt seine Aktivitäten mit der Presse nun ausschließlich als Privatmann weiterführt – und sich amtlichen Transparenzpflichten damit entzieht. Auf eine Anfrage dazu gab es zunächst keine Reaktion. Bekannt wurde zuletzt eine Intervention Schmidts bei dem TV-Unterhalter Jan Böhmermann. Nach Anfragen von dessen Redaktion an das Kanzleramt für eine Sendung zum Cum-Ex-Skandal habe sich Schmidt überraschend bei Böhmermann persönlich gemeldet: „Wieso kriege ich persönlich einen Anruf vom Ausputzer von Olaf Scholz, wenn die ZDF-Magazin-Royal-Redaktion Fragen ans Kanzleramt stellt – und übrigens bis heute keine richtige Antwort erhält?“, mokierte sich Böhmermann in seiner Sendung.

Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage geht hervor, dass Schmidt Böhmermann „außerdienstlich“ angerufen haben soll. Der frühere Grünen-Politiker Gerhard Schick, der sich als Vorstand der „Bürgerbewegung Finanzwende“ auch mit den kriminellen Cum-Ex-Geschäften befasst hat, erklärte dazu auf „X“, mit dieser Begründung werde ein gesetzliches Auskunftsrecht einfach ausgehebelt. „Das geht so nicht“.

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