zum Hauptinhalt
 Ein Flugzeug der Qatar Airline hinterlässt am wolkenlosen Himmel Kondensstreifen.

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

„Verantwortlich ist die Luftfahrt“: Klimaschonender fliegen bis 2050 – das wird wohl schwierig

Bis 2050 soll man ohne schlechtes Gewissen fliegen können. Alternative Brennstoffe waren fast schon der Heilige Gral, um die Emissionen zu senken. Ein Bericht zeigt: Das Ziel ist kaum erreichbar. Warum?

Keine einzelne Technologie kann ausschlaggebend für eine klimaschonendere Luftfahrt sein – das geht aus einem Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) hervor. Keine derzeit mögliche Strategie sei für sich genommen ausreichend, um die Emissionsziele zu erreichen, heißt es in einer am Mittwoch vorgestellten Analyse, in der innovative Antriebe für einen klima-verträglicheren Luftverkehr untersucht wurden. Nötig sei stattdessen ein Technologiemix, der die Potenziale unterschiedlicher Bereiche nutze.

Dazu zählen dem TAB zufolge elektrische Antriebe, nachhaltigere Kraftstoffe aus Abfall oder Biomasse, grüner Wasserstoff (H2), die Optimierung von Kraftstoffen, ein nachhaltigeres Flugzeugdesign sowie eine Emissionsreduktion durch Effizienzsteigerungen.


Klimaneutrale Luftfahrt bis 2050 wohl „unerreichbar“

Zu optimistisch sei das TAB bezüglich der technischen Potenziale für eine klimaneutrale Luftfahrt, findet Stefan Gössling, Professor für Tourismus und Wirtschaft an der schwedischen Linnaeus University. „Das Ziel einer auch nur annähernd klimaneutralen Luftfahrt ist bis 2050 unerreichbar, sofern nicht deutlich drastischere Maßnahmen wie Besteuerung oder Einspeisequoten getroffen werden.“ Forschung- und Entwicklungsförderung könne die Probleme nicht lösen und mache außerdem den Staat mitverantwortlich für die Lösung. „Verantwortlich ist die Luftfahrt.“

Hilfreich wäre hier auch ein Verbot von Frequent Flyer Bonusprogrammen, die zu weiteren Reisen und Upgrades ermuntern.

Stefan Gössling, Professor für Tourismus und Wirtschaft an der schwedischen Linnaeus University

Schnelle Lösungen seien weder bei Antrieben noch bei neuen Kraftstoffen zu erwarten, heißt es vom TAB. „Der Luftfahrtsektor ist geprägt von vergleichsweise langen Entwicklungs- und Zulassungszeiträumen für neue Technologien.“ Die Entwicklung und Zulassung neuer Flugzeugdesigns oder Triebwerke dauere schätzungsweise bis zu 15 Jahre, die Marktdurchdringung dann noch einmal bis zu 30 Jahre.

Der Luftfahrtverband BDL sieht den Schlüssel hingegen in staatlicher Unterstützung. „Für die internationale Luftfahrt gibt es einen klaren Fahrplan für das CO₂-neutrale Fliegen bis ins Jahr 2050 – und das gilt auch für Deutschland“, sagt ein Sprecher.


Die Luftfahrt hat weniger hohe Ziele als andere Sektoren

Gössling sieht schon im Ausgangspunkt des Berichts – eine umweltverträglichere Luftfahrt bis zum Jahr 2050 – eine Schwäche. „Es ist unklar, warum die Luftfahrt weniger ambitiöse Klimaziele als andere Sektoren erreichen soll, insbesondere, da es sich um einen Wachstumssektor handelt“, kritisiert der Professor, der selbst nicht an der Analyse beteiligt war. „Hier wird gern auf die globale Entwicklung verwiesen, dabei aber ignoriert, dass gerade die Deutschen besonders hohe Reiseemissionen verursachen“, sagt er. „Diese werden wiederum von nur etwa einem Drittel der Bevölkerung verursacht und hier besonders von den Vielfliegern.“

 10 Millionen
Tonnen Kerosin werden jährlich in Deutschland getankt. Ab 2026 müssen deutsche Flugzeuge 0,5 Prozent E-Kerosin tanken. Es bräuchte auf den Gesamtverbrauch gerechnet 50.000 Tonnen E-Kerosin.

Ungeachtet der Klimakrise steigt die Zahl der Flugreisen weltweit an: Das hat Folgen: „2050 könnten bereits 60 Prozent mehr CO₂ -Emissionen entstehen als noch 2019“, wie es im TAB-Bericht heißt. In der Gesamtbilanz klimafreundlicher zu werden, stelle für die Branche allein schon deshalb eine große Herausforderung dar. In Deutschland stieg die Zahl beförderter Passagiere dem TAB zufolge von etwa 136 Millionen im Jahr 2004 auf rund 227 Millionen im Jahr 2019.


Wichtiger Ansatz: Flüge stärker besteuern

Gössling sieht im Bericht den „wichtigsten Ansatz der Emissionseinschränkung“ kaum diskutiert: die Reduzierung der Nachfrage nach Flügen. Dabei gehe es etwa um die Besteuerung vor allem von Langstreckenflügen, die die größten Emissionsbeiträge verursachen. „Etwa 25 Prozent der Flüge mit den weitesten Strecken machen 70 Prozent der Emissionen aus.“

Die Klimawirkung des Luftverkehrs ist beachtlich. Die internationale Luftfahrt hat Schätzungen zufolge einen Anteil von rund 3,5 bis 5 Prozent an der menschengemachten Erwärmung, wie es im TAB-Bericht heißt. In Europa verursache der Luftverkehr rund 4 Prozent der gesamten jährlichen Treibhausgasemissionen.

Hinzu kommen Nicht-CO₂-Effekte: Rußpartikel, Wasserdampf, Schwefel- und Stickoxide, die aus der Verbrennung von Kerosin entstehen und zur Bildung von Kondensstreifen und Zirruswolken führen. Sie spielen dem TAB zufolge eine weitaus bedeutendere, wissenschaftlich aber noch nicht gänzlich verstandene Rolle. „Die Klimawirkung variiert zudem in Abhängigkeit von den zurückgelegten Strecken, den Reiseflughöhen sowie den eingesetzten Flugzeugen.“


Alternative Kraftstoffe versprechen erst auf lange Sicht Erfolg

Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung erwähnt, dass an nachhaltigeren Flugkraftstoffen (Sustainable Aviation Fuels, SAF) geforscht wird, die nicht auf Erdöl basieren. Am gangbarsten wäre wohl noch der Umstieg auf SAF, zunächst in Form von Bio-Fuels. Dessen Produktionsmengen sind jedoch Grenzen gesetzt, weshalb mittel- und langfristig vor allem E-Fuels, die Flugzeuge in die Luft bringen sollen. Diese ähneln in ihrer chemischen Zusammensetzung fossilen Kraftstoffen wie Kerosin und werden durch Elektrolyse von Wasser in Wasserstoff und die anschließende Umwandlung von Wasserstoff mit CO₂ in synthetische Kraftstoffe hergestellt. Allerdings wäre für die Deckung des Strombedarfs von E-Fuels laut TAB ein massiver zusätzlicher Ausbau der erneuerbaren Energien nötig.

Ein Problem bei der schon länger erprobten Verwendung von Wasserstoff als direktem Treibstoff sei, dass er bei minus 253 Grad in sehr großen, isolierten, schweren Tanks in den Flugzeugen gespeichert werden müsse. Angesichts des technischen Aufwands sei voraussichtlich nicht vor 2035 mit relevanten Anwendungen zu rechnen.


Global einheitliche Lösung nötig

Ein weiteres Problem ist, dass aufgrund der engen globalen Vernetzung des Luftverkehrs eine einheitliche Energieversorgung auf allen Flughäfen gewährleistet sein müsse, heißt es im TAB-Bericht weiter. Parallele Infrastrukturen wären mit zusätzlichen Kosten verbunden.

Gössling hält den TAB-Bericht trotz der gemachten Einschränkungen noch für viel zu optimistisch formuliert. Bei den E-Fuels gebe es bisher nicht einmal funktionierende Pilotanlagen – der Bericht stelle es so dar, als seien nur die benötigten Strommengen ein Problem. „Die Technik ist herausfordernd und schwer skalierbar; sie wird, wenn sie denn funktioniert, gewaltige Strommengen verbrauchen, die an anderer Stelle der Elektrifizierung fehlen werden.“ Zudem werde der Preis für E-Fuels so hoch sein, dass keine Fluggesellschaft diese freiwillig nutzen werde.

Würde es gelingen, die rund 10 Millionen Tonnen Kerosin, die in Deutschland jährlich von Flugzeugen getankt werden, auf synthetischen Kraftstoff umzustellen, wäre das eine Revolution. Doch auf eine solche zu bauen ist in Augen von Martin Cames, Leiter Bereich Energie & Klimaschutz am Öko-Institut, zu wenig.


Besonders glatte Oberflächen oder gebogene Flügelspitzen

Ihm fehlt im Bericht des TAB der evolutionäre Ansatz: „Etwas zu kurz kommt meiner Einschätzung nach der gesamte Bereich der Verbrauchssenkung durch deutlich effizientere Flugzeuge.“ Neue Antriebssysteme wie Wasserstoff-Antrieb oder elektrisches Fliegen könnten absehbar „auch langfristig nicht das Problem der Langstreckenflüge, die auch im Bericht für mehr als 50 Prozent der Emissionen verantwortlich gemacht werden, lösen.“ Dafür seien die Leistungsdichten der elektrischen Antriebe einerseits und die Verfügbarkeiten alternativer Treibstoffe andererseits nicht ausreichend – beziehungsweise die Herstellungskosten der alternativen Treibstoffe zu hoch.

Eine wesentliche Rolle spiele zunächst die Optimierung des Flugbetriebs, heißt es vom TAB. Aerodynamische Verbesserungen wie besonders glatte Oberflächen oder gebogene Flügelspitzen verminderten den Kraftstoffverbrauch. Auch die Flugplanung auf Ebene der Fluggesellschaften und des Flugverkehrsmanagements habe Potenzial zur Senkung der Emissionen. Dabei geht es zum Beispiel um ein verbessertes Luftraummanagement zur Vermeidung von Umwegen, effiziente Flugverfahren wie einen langsameren Sinkflug, die klimaorientierte Optimierung von Geschwindigkeit und Flugprofilen sowie eine erhöhte Flugzeugauslastung.


Fokus auf Privatflugzeuge und Vielflieger

„Ein spezielles Augenmerk könnte auf das Segment der Privatflugzeuge gelegt werden, die insbesondere für Kurzstrecken genutzt werden“, heißt es vom Büro für Technikfolgen-Abschätzung. „Hier zeigt sich in Deutschland eine erhebliche Zunahme der durchgeführten Flüge, verbunden mit einem unverhältnismäßigen Anteil an klimaschädlichen Emissionen.“

Auch Gössling sieht es als wichtig an, bei Maßnahmen gezielt zu berücksichtigen, wer pro Kopf besonders viele Emissionen verursache – nämlich eine sehr kleine Gruppe von Vielfliegern mit mehr als zehn Flugreisen pro Jahr. Diese Gruppe fliege häufig in der Premium-Klasse, die wiederum drei- bis fünfmal höhere Emissionen verursache als die Economy Class. „Diese Gruppe einzuschränken beziehungsweise zu mehr Flügen in der Economy zu zwingen, hat ein sehr hohes Emissionsminderungspotenzial“, ist Gössling überzeugt. „Hilfreich wäre hier auch ein Verbot von Frequent Flyer Bonusprogrammen, die zu weiteren Reisen und Upgrades ermuntern.“ (Dennis Kazooba mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false