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Ball-Fotografie. Franziska Giffey und Lech Walensa waren beliebte Motive beim Berliner Presseball.

© Elisabeth Binder.

150 Jahre Berliner Presseball: Liebesgrüße an die Freiheit

Ein ganz kurzer Wahlwerbeblock von Franziska Giffey und eine Lobrede auf die freie Presse von Friedensnobelpreisträger Lech Walesa. So lief das Jubiläum des Berliner Presseballs.

| Update:

Wenn Berlin ganz bei sich ist, müssen einfach Dinge passieren, die anderswo als – nunja – Fauxpas gelten würden. Das muss was mit dem verwegenen Menschenschlag zu tun haben, den schon Goethe hier zu erkennen glaubte.

Der junge Mann also, der in seiner Funktion als Kellner Salate und Braten eigentlich noch schützen soll vor dem brüllenden Hunger vornehm gekleideter Ballbesucher, sagt etwas schüchtern: „Eigentlich soll das Büfett ja erst nach den Reden eröffnet werden, aber da können wir wohl nichts tun.“

Die altmodische Regel, dass man erst den Reden lauscht und dann zum Besteck greift, kennen offensichtlich sowieso nur diejenigen Besucher des Berliner Presseballs, die im großen Saal des Hotels Grand Hyatt sitzen.

Den Wahlwerbeblock hält Franziska Giffey angenehm kurz. Viel lieber spricht sie in ihrer Rolle als Regierende Bürgermeisterin zu den Gästen des Jubiläumsballs, der 150-jähriges Bestehen feiert.

600
Gäste zählt der jetzt intimere Presseball

Sie erinnert an das Motto des letzten Balls mit dem Motto „Liebesgrüße aus Europa“, und wieviel sich seitdem verändert hat, vor allem durch den Krieg mitten in Europa. Optimismus zu verbreiten, ist ihre große Stärke.

Willkommen in der tollsten Stadt der Welt

Deshalb bedankt sie sich großflächig bei allen, die zur tollsten Stadt der Welt beitragen und hebt das Wirtschaftswachstum ebenso hervor wie die vielen offenen Arme, die im letzten Jahr den Geflüchteten aus der Ukraine geholfen haben, die Rückkehr der Touristen und die internationale Anziehungskraft der Stadt.

Man solle nur mal zurückdenken, wie Berlin vor 30 oder gar 40 Jahren am Potsdamer Platz aussah. Wie undenkbar es gewesen wäre, an dieser Stelle so zusammen zu kommen.

Das war die ideale Überleitung für die Übergabe des Ehrenpreises für europäische Verständigung an Friedensnobelpreisträger Lech Walesa, der die polnische Demokratiebewegung in den 80er Jahren entscheidend voran getrieben hat. Berlin sei ihm dankbar und fühle sich mit ihm verbunden sagt sie.

Walesas maßgeschneiderte Rede

Der 80-jährige Preisträger bedankt sich mit einer für das Ereignis maßgeschneiderten Rede. Seine Laufzeit gehe langsam zu Ende, sagt er. Er sei zwar ein Wagen gewesen, habe aber den Treibstoff gebraucht.

Dank Ihnen haben wir das Sowjetimperium zerstört.

Lech Walensa

Und sein Treibstoff sei die Presse gewesen, sie erst habe ihn zum Helden gemacht: „Dank Ihnen haben wir das Sowjetimperium zerstört.“ Alles sei für ein friedliches Europa getan worden. Leider sei es nicht gelungen, dafür zu sorgen, dass Russland ein normales Land wird. Dagegen stehe das politische System.

Verzicht auf schräge Vögel

Es sei aber auch Aufgabe der Presse, den Politikern zu sagen, dass sie das Richtige tun sollen, sagte der frühere polnische Präsident unter Applaus.

Nach dem politischen Teil traten Mitglieder der Ballett- und Tanzschule Zehlendorf so schwungvoll auf, als wollten sie eine Miniatur-Version des Friedrichstadt-Palastes ins Grand Hyatt bringen.

Trotz Verkleinerung des Balles auf überschaubare 600 Teilnehmer und den Verzicht auf schräge Vögel, auch C-Promis genannt, auf der Gästeliste, gab es nostalgische Momente.

Als vor 30 und mehr Jahren die Ball-Flaneure noch im grell beleuchteten ICC auf Rolltreppen in den Saal glitten, gehörte der Raum mit den Tombola-Gewinnen immer zu den Hauptattraktionen, weil er so reich bestückt war mit praktischen Küchengeräten und Ähnlichem.

Diesmal war der zwar auch kleiner, aber die Brottrommel neben Schneidebrettern und Gin aus heimischer Produktion legte auf anheimelnde Weise doch nahe, was Staatsgäste und andere Besucher gern mal in ihren Festreden feststellen: Berlin bleibt doch Berlin.

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