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Die Grenzgänger mussten sich von Vopos täglich kontrollieren lassen. Foto: Ullstein

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SERIE BERLINER Chronik: 2. August 1961 Jahre Mauerbau

Die Ost-Behörden erhöhen den Druck auf die sogenannten Grenzgänger. Wer weiter in West-Berlin arbeitet, muss mit erheblichen Schikanen rechnen

Der Ost-Berliner Oberbürgermeister Friedrich Ebert schlägt in einem Brief an den Regierenden Bürgermeister Brandt, den ein Bote im Rathaus Schöneberg abgibt, die Bildung einer Kommission von Magistrat und Senat „zur Lösung des Grenzgänger-Problems" vor. Wegen der „Dringlichkeit der Angelegenheit“ bittet er um „alsbaldige Stellungnahme“. Willy Brandt lässt „Herrn Ebert“ abblitzen. Aus dem Schreiben sei nicht ersichtlich, welche Probleme auftreten könnten, wenn sich alle an die von den vier Mächten garantierte Freizügigkeit in ganz Berlin und das selbstverständliche Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes hielten.

Täglich erhöhen die Ost-Behörden ihren Druck auf Ost-Berliner und Vorort-Berliner, die in West-Berlin arbeiten. Es begann mit der Weisung des Magistrats, dass diese Grenzgänger keine hochwertigen Güter mehr für Ost-Geld kaufen dürfen, und mit Kündigungen von Neubauwohnungen. Nun macht die Volkspolizei vor allem auf Bahnhöfen der Vororte frühmorgens im Berufsverkehr „regelrecht Jagd auf Grenzgänger“. In Zossen wurden Grenzgänger von Vopos aufgefordert, sofort zum Arbeitsamt zu gehen und sich Arbeit in der DDR nachweisen zu lassen. Ab August sei DDR-Bürgern das Arbeiten in West-Berlin verboten. Offiziell ist davon nichts bekannt. Andernorts hat die Volkspolizei bei Kontrollen die Personalausweise von Grenzgängern eingezogen, weil sie eine schriftliche Erklärung verweigerten, dass sie ihren Arbeitsplatz in West-Berlin bis zum 1. September aufgeben. Auf dem Ausweis-Ersatzpapier steht: „Berechtigt nicht zum Betreten Berlins“.

Die SED mobilisiert Hausobleute und Betriebskollektive für das Kesseltreiben, wie Flüchtlinge berichten. Beschlüsse mit der Forderung tauchen auf, dass Grenzgänger die Wohnungsmiete, Strom und Gas in Westgeld bezahlen. Aus etlichen Vororten ist zu hören, dass in Geschäften Listen mit den Namen von Grenzgängern ausliegen. Auf Plakaten werden sie „Verräter an der Sache des Friedens“ genannt, die den Arbeitern in den Rücken fallen. Die 14 000 West-Berliner, die im Osten arbeiten, werden dagegen mit keinem Wort erwähnt. Brigitte Grunert

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