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Der Siegerentwurf für das Karstadt-Haus an der Müllerstraße in Wedding kommt von Baumschlager Eberle Architekten.

© Baumschlager Eberle Architekten

Viel Masse, wenig Kiez: Pläne für Karstadt-Neubau in Berlin-Wedding stoßen auf Kritik

Der Siegerentwurf für den Umbau des Karstadt-Hauses in der Müllerstraße enttäuscht viele Nachbarn. Auch die übrigen Pläne wirken eher wie Fremdkörper im Kiez.

Bevor die Bürger am Dienstagabend das Karstadt-Restaurant in der Müllerstraße betreten dürfen, werden ihre Handykameras abgeklebt. Die vier vorgestellten Entwürfe der Architekturbüros unterliegen noch der Geheimhaltung, bis eine Jury am Folgetag einen der Entwürfe zur Umsetzung auswählt. Wartet hier also etwas so Spektakuläres wie ein goldener Hochhausturm, eine Halfpipe auf der Dachterrasse oder ein Bauwerk aus ausschließlich recycelten Materialien?

Mitnichten. Die vier Entwürfe sind eher ernüchternd. Das finden auch viele Gäste der Veranstaltung: „Standardarchitektur“, heißt es auf den Karten, mit denen sie die Vorschläge auf Stellwänden kommentieren können. „Die Entwürfe sehen alle sehr ähnlich aus“, sagt ein älterer Herr aus der Nachbarschaft, nachdem die vier Büros Baumschlager Eberle, Grüntuch Ernst, Jasper Architects und White Arktitekter ihre Pläne vorgestellt haben.

An der südöstlichen Ecke des Leopoldplatzes steht das 1978 eröffnete Kaufhaus Karstadt.

© Imago/F. Anthea Schaap

Standardarchitektur: Mit dieser Kritik wird von den Anwohnern ganz besonders der Entwurf des international renommierten Teams von Baumschlager Eberle (Bild ganz oben) bedacht. Das Gebäude wirke verschlossen und die gerasterte Fassade passe nicht zur Umgebung des Leopoldplatzes.

Just diesen Entwurf hat nun am Mittwoch die Jury als Grundlage für die weitere Entwicklung ausgewählt: Er überzeuge „durch die Vernetzung in den Stadtraum sowie durch das Auflösen der monolithischen Großstruktur der Warenhausimmobilie“, so das Pressestatement der Signa Real Estate, der das Gebäude gehört.

Signa ist dabei, an mehreren Berliner Standorten seine Immobilien weiterzuentwickeln, auch am Hermannplatz geht die Entwicklung gerade in die nächste Phase. Gleichzeitig kämpft der Warenhausbetreiber Galeria Karstadt Kaufhof, der auch zu Signa gehört, ums Überleben und will deutschlandweit etliche Filialen schließen.

Auf dem Dach sollen grüne Terrassen entstehen

Der Entwurf von Baumschlager Eberle sieht zur Straße hin eine Blockrandbebauung vor, in der große Teile des bestehenden Gebäudes integriert werden sollen. Zu den kammartigen Hinterhöfen soll die Bebauung aufgelockerter sein. Und es wird deutlich aufgestockt: Die Bruttogeschossfläche von aktuell 39.000 Quadratmetern soll künftig zu einer Fläche von mindestens 46.000 Quadratmetern erweitert werden. Auf dem Dach sollen mehrere öffentlich zugängliche begrünte Terrassen entstehen.

Verschachtelt: Karstadt-Simulation von Jasper Architekten.

© Jasper

Allein 30.000 Quadratmeter sind für Büros vorgesehen, fürs Warenhaus künftig nur noch 13.000 bis 15.000, was eine deutliche Verringerung bedeutet. 5000 Quadratmeter des Hauses sollen für Wohnraum genutzt werden, 2000 für gemeinwohlorientiertes Gewerbe.

30.000
Quadratmeter im neuen Karstadt-Gebäude sind für Büros vorgesehen.

Aus den Kommentaren, die die Veranstaltungsteilnehmer am Dienstagabend an die Stellwände gepinnt haben, wird deutlich, dass die Nachbarschaft einen anderen Entwurf favorisiert hätte: Der Entwurf von Jasper Architects mit grünen Laubengängen an der Fassade, die bis zur Dachterrasse reichen, sei der einzige, der das Gebäude tatsächlich transformieren würde, hieß es.

Ohne Jury-Empfehlung: Entwurf des Büros White Arkitekter aus dem schwedischen Göteborg.

© White Arkitekter

Von den Besuchern wird allerdings auch viel grundsätzliche Kritik geäußert. Tatsächlich wirken alle vier Entwürfe wie Fremdkörper am sozial vielfältigen Leopoldplatz. Momentan ist Karstadt an der Müllerstraße ein wichtiger Ort für die Menschen, nicht nur, wenn es um die Lebensmittelversorgung oder eine Schuhreparatur geht, sondern auch als sozialer Dreh- und Angelpunkt.

Ältere Menschen aus der Umgebung treffen sich hier zum Mittagessen. Und für Jugendliche aus dem Kiez ist Karstadt ein Zufluchtsort, an dem sie große Teile ihrer Freizeit verbringen, weil es sonst wenig Orte im Kiez gebe, an denen sie sich aufhalten könnten, ohne zu konsumieren, erzählt eine Jugendliche, die zur Veranstaltung gekommen ist.

Die Beschäftigten, die jetzt betriebsbedingt gekündigt wurden, kommen doch nicht wieder zurück.

Hartmut Meyer, Anwohner und DGB-Mitglied

Ein Hochglanzgebäude mit vielen Büros wird kaum diese Rolle einnehmen können, auch wenn hier wieder ein Warenhaus entstehen sollte. Auch daran äußern viele Nachbarn Zweifel: „Die Beschäftigten, die jetzt betriebsbedingt gekündigt wurden, kommen doch nicht wieder zurück“, sagt Hartmut Meyer vom DGB-Kreisverband Mitte und fragt sich, wer dann im Warenhaus arbeiten soll.

Meyer wohnt seit über dreißig Jahren im Sprengelkiez und ist mit einer Gewerkschaftsfahne zur Veranstaltung gekommen. Vom Bezirksamt fühlt er sich mit seinen Anliegen nicht gut vertreten.

Macht das Karstadt-Warenhaus 2027 wieder auf?

Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) widerspricht. Auch ihm sei wichtig, dass es ausreichend Personal gibt, wenn das Warenhaus wieder geöffnet wird. Daher habe er vor wenigen Wochen an Signa geschrieben, mit der Bitte, dass das Warenhaus erst im Januar 2025 geschlossen werde, nicht schon wie angekündigt im Januar 2024. Als Baubeginn ist Mitte 2025 anvisiert, die Wiedereröffnung für Ende 2027 geplant.

Er habe „auch dafür geworben, den Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, an andere Karstadt-Standorte zu wechseln und dann auch zurückzukommen zum neuen Karstadt in der Müllerstraße“, sagte Gothe dem Tagesspiegel. Eine Antwort darauf habe er aber noch nicht erhalten.

Der Grünen-Abgeordnete Julian Schwarze sorgt sich, dass das Warenhaus am Ende gar nicht wiedereröffnet wird: Es sei fraglich, „ob nach dem geplanten Umbau am Standort Müllerstraße wirklich wieder ein Kaufhaus einziehen wird oder die Einzelhandelsflächen gleich ganz anders genutzt werden, weil der Kaufhauskonzern in dieser Form durch die Insolvenz bis dahin vielleicht gar nicht mehr existiert.“

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