zum Hauptinhalt
Am Hohenzollernplatz trifft Adelskult auf Pekingente.

© Daniel Vorndran/Wikimedia Commons

Die Station meines Lebens in Berlin: Ankerwurf am Hohenzollernplatz – eine Erinnerung

Jeder Zugezogene kommt anders in Berlin an. Manchmal braucht es dafür erst einen Seitenwechsel. Eine Hommage an den Berliner Westen.

Eine Kolumne von Alexander Kloß

Als ich vor zwei Jahren das erste Mal nach Berlin zog, war der Prenzlauer Berg mein Fixstern. Schließlich steckt darin ein Stück Familiengeschichte: Dort lebte und arbeitete zu Ostzeiten meine Mutter als junge Lehrerin, dorthin zog es später meinen Bruder. Folgerichtig sollte auch mich der strudelhafte Sog der Hauptstadt nicht loslassen.

Dass es mich für meine erste Berlin-WG ausgerechnet an den Hohenzollernplatz verschlagen würde, hätte ich mir jedoch nicht träumen lassen. Westberlin war für mich stets ein Ort, der abseits der Berlinale sowohl meinem Stadt- als auch meinem Lebensgefühl widersprach.

Unter Freunden galt Wilmersdorf als Berliner „Endgegner“, zu dessen Witwen man sich gesellte, wenn man von „Sisyphos“ und Co. irgendwann genug hatte. Dass sich hinter den blankgeputzten Stuckfassaden weit mehr versteckte, als das Musical „Linie 1“ vermuten lässt, merkte ich prompt.

Der Hohenzollernplatz war während der zweiten Corona-Welle mein Anker in Berlin. Von Hektik gab es dort keine Spur, dafür viele Annehmlichkeiten. Einerseits die wohl beste chinesische Küche der Stadt, mit „Shaniu“ und „Goji“ in Fußnähe. Zum anderen bezirzt die U-Bahn-Station auf ungemein altmodische Art. Die zwei steinernen Adler, die seit über 100 Jahren von ihren Säulen auf das Transitpublikum herabblicken, geben der Kreuzung an der Uhlandstraße etwas erstaunlich Zeitloses.

Beinahe mit der Stoppuhr messen konnte man hingegen meinen täglichen Arbeitsweg: 23 Minuten. Dass man auf dem Weg zum Potsdamer Platz auch noch am Wittenbergplatz umsteigen durfte: absoluter Luxus. Drei Stationen sind es von dort zurück zu den Schwarz-Weiß-Fotografien der Burg Hohenzollern, die das Innenleben der preußischen Unterwelt auskleiden. Und wenn man nach getaner Arbeit unter den Argusaugen der Steinfiguren heimkehrt, offenbart sich gelegentlich ein königsblauer Nachthimmel.

Den Großteil meiner Wilmersdorfer Zeit verbrachte ich mit ausgedehnten Spaziergängen. Im eisigen Winterlockdown bestand daraus oft das höchste der Gefühle. Gern wär ich tiefer in den Charme des Westens eingetaucht, doch von langer Dauer sollte mein Berliner Erstaufenthalt nicht sein. Nach nur sechs Monaten wartete meine nächste Arbeitsstation im nicht minder gutbürgerlichen Wien auf mich.

Zwei Jahre später kehrte ich zurück. Der Arbeitsplatz? Fußläufig von meinem alten. Der Wohnort? Geschichtsträchtig. Zumindest für meine Familie.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false