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Rezepte gegen die Finanzkrise. Solche Forderungen wurden bei der gewerkschaftlichen Mai-Kundgebung am Brandenburger Tor immer wieder laut.

© dpa

1. Mai: Brüder in der Sonne

Strahlendes Wetter lockte Tausende zum Gewerkschaftsfest vor dem Brandenburger Tor. Viele kommen schon seit etlichen Jahren zur Demonstration zum Tag der Arbeit.

Die Gewerkschaften haben gelernt – Merchandising ist Teil des Geschäfts. Bei Verdi gibt’s eine Tasche für fünf Euro, beim DGB kann man den Mindestlohn-Fan-Schal erstehen – passenderweise in den Farben des alten und neuen Deutschen Fußballmeisters. Aber beim Fest zum Tag der Arbeit am Brandenburger Tor mochte sich angesichts der sommerlichen Temperaturen wohl kaum jemand mit diesem wärmenden Accessoire schmücken. Dicht gedrängt liefen Tausende auf der Straße des 17. Juni zwischen den Ständen umher oder ließen sich an Biertischen Gegrilltes und Gekühltes schmecken. Richtung Siegessäule ist ein Bereich mehrheitlich orange gefärbt. Hier sitzen die Beschäftigten der Stadtreinigung. Manche von ihnen lassen keine 1.-Mai-Demo aus, kommen schon seit mehreren Jahrzehnten. Früher wurde die Tochter im Kinderwagen mitgeschoben; in diesem Jahr macht sie Abi und kommt immer noch mit zur Demo, erzählt ein Vater, Regionalleiter auf einem der Recyclinghöfe – und natürlich Verdi-Mitglied. „An diesem Tag zeigen wir Solidarität mit Arbeitnehmern, denen es nicht so gut geht wie uns im öffentlichen Dienst“, sagt er. Das sei eine Selbstverständlichkeit. Seine Frau arbeitet als Krankenschwester bei der Charité. Das Motto „Gute Arbeit für Europa – Gerechte Löhne, Soziale Sicherheit!“ kann sie für sich persönlich nur unterstreichen. Gerechte Löhne wünscht sie sich für die Charité, die für dieselbe Arbeit am Standort Ost-Berlin weniger bezahle als an den West-Standorten Rudolf Virchow oder Benjamin Franklin.

Auch ein 57-jähriger Reinickendorfer Pädagoge ist quasi ein 1.-Mai-Veteran. Seit gut 35 Jahren ist der Tag für ihn ein Pflichttermin. Allerdings habe der 1. Mai an Bedeutung eingebüßt. Der Gymnasiallehrer kann sich noch an Kundgebungen mit bis zu 70 000 Teilnehmern erinnern. Jetzt seien es zwar nach Veranstalterangaben bis zu 15 000 Menschen, von denen aber nur ein Bruchteil der Rede des GEW-Vorsitzenden Ulrich Thöne zuhöre, die anderen genössen eher das Volksfest, sagt der Mann. Das Spektrum derer, die sich beim 1.-Mai-Fest präsentieren, ist groß. Es reicht von Splittergruppen wie der MLPD (Marxistisch-leninistischen Partei Deutschlands) und der kommunistischen Arbeiterpartei Irans über Initiativen für ein bedingungsloses Grundeinkommen bis hin zu den DGB-Gewerkschaften. Da stehen auch die Linkspartei und der CDU-Arbeitnehmerflügel, die Christlichen Sozialausschüsse, einträchtig Seit’ an Seit’.

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