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Berlin: „Die Demokratie ist ernsthaft bedroht“

Ein prominent besetztes Bündnis von Berliner Bürgern prangert das Versagen bei der Aufklärung des Bankenskandals an – und will zeigen, wie man es besser macht

Rund 150 Namen stehen auf der Liste, darunter Professoren wie Uwe Wesel, Peter Wapnewski, Rolf Kreibich und Gesine Schwan, Künstler wie Martin Buchholz, Angelica Domröse und Hilmar Thate, Lehrer, Ärzte und Juristen. Sie alle machen ihrer Empörung über den Bankenskandal und seine Folgen Luft. Sie haben einen langen Brief an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit geschrieben und ein Fünf-Punkte-Programm aufgestellt mit dem Titel: „Bankgesellschafts-Skandal: Was ist zu tun?“. Um Verwechslungen vorzubeugen: Dieses ist nicht Peter Grottians schon bekannte „Initiative Berliner Bankenskandal“, sondern eine neue.

In ihr bündelt sich der Unmut einer breiten Bürgerschicht, die verhindern will, dass das Thema irgendwann in Vergessenheit gerät. Initiator ist der frühere FU-Präsident Rolf Kreibich. Er schreibt, die Unterzeichner beunruhige es, dass „ganz offensichtlich bei der Aufklärung und Lösung der Probleme alle demokratischen Kontrollinstanzen in Wirtschaft und Politik versagt haben“. Und weiter: „Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister, wir sehen die Zukunft und die mühsam nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaute Demokratie (…) ernsthaft bedroht.“

Die Unterzeichner haben fünf Forderungen: die Entflechtung der Bankenholding unter Einschaltung unabhängiger Experten, die Entlassung des beteiligten Personals, mehr Transparenz bei der Bank, den sofortigen Beginn der Gerichtsprozesse gegen die Verantwortlichen und die Rücknahme der Risikoabschirmung. Mit Risikoabschirmung ist die Übernahme der Finanzrisiken der Bank durch das Land Berlin gemeint.

Das ist es, was die die meisten so aufbringt: Das Land sitzt auf Milliardenschulden und trägt zusätzlich Milliardenrisiken der Bank, und diejenigen, die das Unternehmen in die Katastrophe steuerten, sind fein raus. Schadensersatzklagen gegen sie sind gescheitert, ihre feudalen Gehälter laufen weiter.

„Die Empörung über das schamlose Verhalten derer, die den Bankenskandal zu verantworten haben“, habe ihn zur Unterschrift motiviert, sagte der Germanist und Gründungsrektor des Wissenschafts-Kollegs, Peter Wapnewski. „Und die Solidarität mit denen, die diese Empörung artikuliert haben.“

Der Jura-Professor Uwe Wesel hat ebenfalls unterschrieben. Er ist unzufrieden mit der Politik und der Staatsanwaltschaft. „Ich verstehe nicht, wieso die Staatsanwaltschaft sich so vorsichtig verhält. In anderen Wirtschaftsstrafsachen sind die effizienter“, sagte Wesel. „Bei der Verfolgung des DDR-Unrechts haben sie Eifer gezeigt, hier haben sie Samthandschuhe an.“

„Die erste Strafanzeige ist fast drei Jahre her. Jetzt müssen mal Taten folgen“, sagt auch der Grünen-Politiker Wolfgang Wieland, der allerdings nicht zu den Unterstützern der Initiative gehört. Er sitzt im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der die Banken-Affäre aufklären soll. „Man kann auch sehr in die Breite ermitteln“, sagt Wieland. Dass sieben Anklagen erhoben seien, sei ja gut und schön, aber die großen Komplexe seien eben noch nicht angeklagt – „Und das sind die, die den Steuerzahler das Geld gekostet haben, etwa die Kreditvergaben an Aubis oder das Auflegen der Publikumsfonds, die jeder zeichnen konnte.“

Der Aufruf hat bei der Staatsanwaltschaft Ärger ausgelöst. Angesichts der unmäßigen Materialmenge sieht man sich dort außerstande, schneller anzuklagen. Es handelt sich immerhin um das größte Wirtschaftsstrafverfahren der deutschen Geschichte; die Aktenordner füllen eine ganze Turnhalle (wir berichteten).

Beim Regierenden Bürgermeister ist das Schreiben eingegangen, wie Senatssprecher Michael Donnermeyer bestätigte. Wowereit hat sogar zurückgeschrieben. In den Zielen sei er mit der Initiative einig, nur sei er anderer Meinung, wie diese Ziele zu erreichen seien. Das Land Berlin halte aber weiterhin an der Risikoabschirmung fest, auch deshalb, weil sie von allen Möglichkeiten das geringste Risiko für den Haushalt berge.

Das sieht der Jura-Professor Albrecht Dehnhard anders. „Man könnte die Haushaltsrisiken für Berlin erheblich verringern“, sagt er. Er beobachte die Arbeit des Senats schon seit Jahren unter dem Gesichtspunkt: Wie viele Rechtsfehler geschehen dort? „Es sind sehr viele“, sagt Dehnhard. „Die geben wir unseren Studenten als Klausurfälle.“

Initiator Kreibich glaubt auch nicht der Beteuerung, alles nur Mögliche werde getan, um die Sache aufzuklären. „Wir haben es in den letzten zwei Jahren bei allen demokratischen Institutionen versucht – und sie alle haben versagt“, sagt er. „Man will die Sache offensichtlich aussitzen.“

Fatina Keilani

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