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Berlin: Forscher bauen Zuchtgruppe für bedrohte Fischart auf - lebendes Fossil soll gerettet werden

Nummer "81 EF" ist mit seinen 95 Zentimetern Länge und einem Gewicht von vier Kilogramm eindeutig der Größte. Als ob der Stör ahnt, dass gerade über ihn geredet wird, dreht er eine extra langsame Runde im Aquarium.

Nummer "81 EF" ist mit seinen 95 Zentimetern Länge und einem Gewicht von vier Kilogramm eindeutig der Größte. Als ob der Stör ahnt, dass gerade über ihn geredet wird, dreht er eine extra langsame Runde im Aquarium. Sein weißer Bauch, seine Schwanzflosse und seine grau-grüne "Haut" kommen so besonders gut zur Geltung. "Er ist unser Prachtexemplar", sagt Professor Frank Kirschbaum vom Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Dieser Atlantische Stör, der wie seine anderen 26 Artgenossen keinen Namen, sondern lediglich einen Code "81 EF" trägt, entwickelte sich in den vergangenen fünf Jahren hier am besten.

1995 hatten die aus Frankreich "importierten" Exemplare noch alle ungefähr die gleiche Länge von 25 Zentimetern. Seit dem werden die Zöglinge von den Wissenschaftlern des Instituts genaustens unter die Lupe genommen: Ständig beobachtet, alle 14 Tage gewogen und gemessen und mit verschiedenen Futtermischungen konfrontiert. "Wir wollen herausbekommen, unter welchen Bedingungen sich die vom Aussterben bedrohten Fische besonders gut entwickeln", erklärt Kirschbaum. Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass sich die Störe bei einer konstanten Wassertemperatur von 20 Grad am wohlsten fühlen. Zudem verlangen sie auch in der kalten Jahreszeit mindestens zehn Stunden Licht pro Tag. Und nachdem ihnen zu den drei täglichen Mahlzeiten kleine oder große rote Mückenlarven beziehungsweise Meeresfische verabreicht wurden, steht fest, dass ihnen die großen Larven am besten schmecken.

Noch sind 23 Störe in zwei je sechs Kubikmeter Leitungswasser fassenden Aquarien untergebracht. Vier Fische werden in einem kleineren Gefäß gehalten. Wenn sich die Störe allerdings so entwickeln, wie es die Wissenschaftler vermuten, werden die Quartiere bald zu eng. Kirschbaum geht davon aus, dass sie in drei bis vier Jahren bis zu 1,20 Meter lang sind. Im ehemaligen Gewächshaus des Institutes am Müggelseedamm soll es deshalb demnächst noch zwei zusätzliche Aquarien geben. Im Sommer wird außerdem ein Teil der Fische in einem künstlichen Teich gehalten und beobachtet. Schließlich muss es den Friedrichshagener Forschern gelingen, bis zur Geschlechtsreife der Tiere, die wahrscheinlich 2003/2004 eintritt, so viel wie möglich über sie herauszubekommen. "Wir wollen eine Zuchtgruppe aufbauen, die ständig neue Nachkömmlinge liefert", erläutert der Professor. Die Zöglinge sollen dann "eingebürgert", also zunächst in der Oder ausgesetzt werden. Perspektivisch sind auch die Elbe und der Rhein für diese "Störkationen" vorgesehen. Finanziert wird das Artenschutzprojekt vom Bundesamt für Naturschutz mit rund 1,5 Millionen Mark.

Dass mit der Zucht dieser bedrohten Störart - in Deutschland gibt es außer den 27 in Friedrichshagen lebenden Exemplaren davon nur noch in Helgoland einen Artgenossen - Eier produziert werden, die zur Kaviarherstellung genutzt werden könnten, ist für den Wissenschaftler nur ein angenehmer Nebenaspekt. "Wir wollen den Stören erst einmal bei uns wieder einen Lebensraum geben", betont Kirschbaum. Zudem sei bekannt, dass der Kaviar dieser Störe nicht so besonders gut schmeckt. Genießbarer sind da auf jeden Fall die Produkte anderer Arten aus dem Kaspischen Meer. Pro Jahr werden dort bis zu 100 Millionen Fische ausgesetzt, jedoch immer weniger gefangen. Dies hängt vor allem mit dem unkontrollierten Abfischen zusammen. Die Störzucht hat im übrigen eine 120-jährige Tradition, in kleinerem Umfang war sie einst auch in Deutschland üblich.

Steffi Bey

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