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Berlin: Grüne Woche: Abschied von der Schönheitsfarm

Auch der schönste Stadturlaub geht einmal zu Ende. In der kommenden Woche müssen die Tiere von der Grünen Woche wieder in ihre heimatlichen Ställe zurückkehren.

Auch der schönste Stadturlaub geht einmal zu Ende. In der kommenden Woche müssen die Tiere von der Grünen Woche wieder in ihre heimatlichen Ställe zurückkehren. Vorbei die Zeit, als die Schweine auf Stroh liegen konnten und in ihren Messekoben sogar ganz komfortabel Platz hatten, sich einmal um die eigene Achse zu drehen. Die Kühe müssen vom sauberen Stroh und Heu Abschied nehmen, der ihnen ihren Berlin-Aufenthalt warm und kuschelig gemacht hatte. Nur der Spaltenboden auf dem Weg zum Melkroboter hatte sie für die Dauer der Agrarmesse an zu Hause erinnert.

Am schlimmsten trifft es die Puten. Die hatten es auf der Grünen Woche besonders gut. Eine Hand voll Truthennen in einem und gegenüber ein halbes Dutzend Truthähne in einem zweiten Drahtkäfig. Sie konnten umeinander herumlaufen und hätten sogar Platz genug für Freudensprünge gehabt, wenn Truthähne so was täten. Die Putenwelt auf der Messe war friedlich und schön anzuschauen. Die Realität sieht anders aus.

Zum Thema Online Spezial: Grüne Woche 2002 Da drängen sich Hunderte, bei einigen Erzeugern sogar tausende Puten und Truthähne in dunklen Fabrikhallen auf dem nackten Betonboden. Dass sie mit ihren überdimensionalen Brustkörben nicht vorne überkippen, liegt einfach nur daran, dass es zu viele Tiere sind. Die Puten stehen während ihrer kurzen Mastphase in den eigenen Exkrementen. Die Enge, der Lärm und der Gestank bringen die Tiere dazu, immer wieder nach den Hälsen ihrer Mitgefangenen zu picken. Kein Wunder, dass viele Tiere ständig krank sind. Deshalb werden ihnen mit dem Futter schon vorbeugend Antibiotika verabreicht. Greenpeace mobilisiert seit Monaten gegen diese Missstände im Putenstall. Inzwischen hatte die Umweltschutzorganisation sogar einen ersten Erfolg. Der Nahrungsmittelmulti Unilever ("Du darst") will das Putenfleisch für seine Diätprodukte künftig bei Betrieben einkaufen, die extensiv produzieren, wo die Tiere also Auslauf und viel mehr Platz haben. Und bei deren Produktion auf den massenhaften Einsatz von Antibiotika verzichtet wird.

Aber auch die Schweine werden sich nach ihrem Stadturlaub zurücksehnen. Denn gerade sie werden besonders artwidrig gehalten. Selbst in einer gut geführten Mast können die Tiere kaum glücklich werden. Sie stehen auf Spaltenboden, der ein bequemes Hinlegen verhindert. Meist können sie sich nicht einmal umdrehen, ohne an die Wände zu stoßen. Die Tiere sind mit tausenden Artgenossen in einem riesigen Stall untergebracht. Der Ammoniakgestank nimmt nicht nur Menschen den Atem. Die Schweine leiden darunter sogar noch mehr, weil sie besonders geruchsempfindlich sind. Und auch Schweine können sich unter diesen Haltungsbedingungen kaum gesund halten, weshalb auch in ihren Futtertrögen oft Antibiotika landen.

Für die Tiere ist der Messeaufenthalt eine Art Kur. Sie genießen die Annehmlichkeiten moderner Stallhaltung, ohne den Zwang ökonomischen Erfolgs. Die Grüne Woche ist trotz all der streichelnden Kinderhände für sie nicht mehr als eine nette Abwechslung in einem kurzen, freudlosen Nutztierleben.

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