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Monika Grütters, Berliner Landesvorsitzende der CDU.

© imago/Camera4

CDU Berlin: Hauptstadt-Union diskutiert die Frauenquote

Männer machen Politik, Frauen hüten die Kinder? Das war mal. Jetzt will Berlins CDU mehr Frauen fördern und diskutiert sogar die Quote.

Von Ronja Ringelstein

Sie sind damals die einzigen beiden „Mädels“ – und teilen sich eben immer ein Zimmer. Ein bisschen wie auf Klassenfahrt. Es ist irgendwann Ende der 1990er. Mit Eberhard Diepgen sitzt ein Regierender Bürgermeister der CDU fest im Sattel in der Senatskanzlei und fährt Wahlergebnisse von 40 Prozent ein.

Die eine der beiden jungen Frauen, etwa Anfang 20, ist Kathrin Bernikas, heute Kommunalpolitikerin mit dem Nachnamen Henkel, seit sie den CDU-Granden Frank Henkel geheiratet hat. Die andere ist Christina Schwarzer, bis zum 24. September des vergangenen Jahres Bundestagsdirektkandidatin der CDU in Neukölln. Wann das alles genau war, weiß Schwarzer nicht mehr. Auch nicht, wo die Hotels lagen – in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern. Aber eins weiß sie sicher über ihre politischen Anfänge: Bei den Treffen der Jungen Union (JU), also des Parteinachwuchses, bei den Landesvorstandsklausuren, waren sie und Bernikas die einzigen weiblichen Vertreterinnen – unter vielleicht 18 JU’lern. „Symptomatisch“, nennt sie das heute.

So wie Schwarzer die JU-Treffen erinnert, ist es heute nicht mehr. Es gibt dort mehr Frauen, und in der Berliner CDU selbst sind etwa 32 Prozent der Mitglieder weiblich. Mit Monika Grütters steht eine Frau an ihrer Spitze. Wirft man aber einen Blick in die Fraktion des Abgeordnetenhauses, sieht es düster aus: vier Frauen, 27 Männer.

Direktkandidatinnen für die Bundestagswahl waren Schwarzer und Grütters – neben zehn Männern. Beim Vergleich mit Linken, Grünen und SPD könnte man auf die Idee kommen, die CDU habe ein ernstes Problem. Wobei zur Wahrheit auch gehört, dass es in den anderen Berliner Oppositionsparteien AfD und FDP auch nicht besser mit den Frauen läuft.

Quote im Reißverschlussverfahren

Bei der CDU will nun ausgerechnet ein Mann die weibliche Revolution ausrufen: Mario Czaja. Der ehemalige Senator für Gesundheit und Soziales leitet seit gut einem Jahr das „Zukunftsforum“ zur Neuausrichtung der Partei. Für ihn gehört dazu das Reißverschlussverfahren bei allen Listenwahlen.

Das würde heißen: Nach jedem Mann auf der Liste folgt eine Frau und andersherum. Derzeit gibt es das Quorum, das auf jedem dritten Platz eine Frau vorsieht. Klappt das aber in zwei Wahlgängen nicht, darf es ignoriert werden. „Das Reißverschlussverfahren wäre ein großer Schritt für die CDU, aber ein bisschen Revolution geht eben nicht“, sagt Czaja. Für die Idee müsste die Satzung geändert werden, dafür bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit beim Landesparteitag im Oktober. Czaja hat also noch etwas Zeit, um Stimmen zu fangen.

Allerdings ist „Quote“ ein Wort, das den meisten Christdemokraten kalte Schauer über den Rücken laufen lässt. Wer CDU-Frauen fragt, stößt meist auf Ablehnung. Mit gerümpfter Nase fällt häufig der Satz: „Ich will keine Quoten-Frau sein.“ Scheitert das Projekt, da sind sich viele parteiintern einig, steht die Berliner CDU in Sachen glaubwürdiger Frauenförderung schlechter da als vorher. Dennoch: Eine Satzungskommission wird jetzt eingesetzt, die soll eine Änderung des Quorums vorschlagen.

Was ist los bei den Konservativen, dass die Frauen sich nicht entschließen können, hier Politikkarriere zu machen? Oder lässt man sie nicht? Erstaunlich viele aktive Parteimitglieder glauben, in der Union werde nach wie vor ein „traditionelleres“ Familienbild gelebt als in anderen Parteien.

Die Frau steht beruflich und damit politisch zurück, kümmert sich eher als der Mann um die Kinder. Und das strukturelle, gesamtgesellschaftliche Problem, dass Familie und Beruf oft schwer zu vereinbaren sind, gilt natürlich erst recht, wenn auch noch Parteiarbeit und Mandat dazukommen. Das Abgeordnetenhaus ist ein Teilzeitparlament. Viele arbeiten nebenbei in ihrem Beruf.

„Wir haben keine Frauenfeinde in unserer Partei“

Eine, die es weit gebracht hat, ist Cornelia Seibeld. Die 43-Jährige ist tief verankert in der Berliner CDU, ist stellvertretende Vorsitzende im größten und damit mächtigsten Kreisverband der CDU in Steglitz-Zehlendorf, außerdem ist sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses.

Bis 2011 war die Anwältin rechtspolitische Sprecherin der Fraktion und damit eine der wenigen, die nicht ausschließlich „weiche“ Ressorts wie Bildung und Familie innehatte – die meist von Frauen übernommen werden. Heute hat diesen Posten Sven Rissmann, Seibelds Lebenspartner und Kreischef im ebenfalls starken Kreisverband Mitte, inne.

„Frauen haben Schwierigkeiten, sich nach vorne zu drängeln“, glaubt Seibeld. Das sei der „männliche Weg“, der wie im Berufsleben auch in der Politik leider immer noch der Standardweg sei. Etwas zu sagen, nur um etwas gesagt zu haben, sei Frauen oft zu albern – Männern nicht. „Als Frau musst du umso härter arbeiten, umso fleißiger sein.“ Da stimmen Seibeld viele Parteifreundinnen zu. Und gefördert worden seien sie meist von Männern.

Auch Monika Grütters erzählt das. Die Berliner Landesvorsitzende will zu den Frauen gehören, die andere Frauen fördern. Darüber, wie erfolgreich sie das tut, gibt es gemischte Stimmen. Aber: Sie hat den Landesparteivorstand vergangenes Jahr erstmalig zur Hälfte mit Frauen besetzen lassen. Dafür mussten die Vorsitzenden der Kreisverbände – alles Männer – plötzlich auch Frauen vorschlagen. Das dürfte einigen nicht gefallen haben.

„Natürlich bedeutete das auch unbequeme Entscheidungen“, sagt Grütters. Sie stehe für eine „Bewusstseins- und Haltungsänderung“ und mahne die immer wieder an. „Wir haben keine Frauenfeinde in unserer Partei“, aber Ungleichheiten würden oft übersehen.

"Ohne Zwang wird sich nichts ändern"

Christoph Brzezinski, Berliner JU-Vorsitzender, sieht das drastischer: „Ich kann mir vorstellen, dass es viele in der Partei gibt, denen könnte man die Liste der Abgeordnetenfraktion zeigen – es würde ihnen nichts daran auffallen. War doch schließlich immer so.“ Dabei, meint Brzezinski, dürfte das Thema an keinem vorbeigegangen sein.

Er habe bei der Neuwahl des JU-Landesvorstands im vergangenen Jahr, wie Grütters, die „klare Erwartung“ an die Kreisvorsitzenden der JU – alles Männer – ausgegeben, auch Frauen zu entsenden. Hat geklappt. „Wenn sich die in den Schlüsselpositionen nicht dafür einsetzen, passiert es eben nicht – zumindest weniger“, glaubt Brzezinski.

In der Partei werden nach wie vor die wichtigen Entscheidung beim Bier nach den Veranstaltungen ausgeklügelt, heißt es bei vielen. Aber, immerhin, nicht mehr bei allen. Und „zu viel Macht liegt beim Kreisfürsten“, sagt eine, die das Berliner Politikgeschäft ihrer Partei nur allzu gut kennt. Die Kreischefs sind die, die letztlich über die Bezirkslisten entscheiden. Eine Landesliste für das Abgeordnetenhaus hat die CDU nicht. Jeder Bezirk macht seine eigene, wer eine Chance will, muss da ganz vorne stehen.

So war es bei der CDU-Abgeordneten Hildegard Bentele. Die 41-Jährige ist bildungspolitische Sprecherin der Fraktion. Dass die Diplomatin 2011 ins Abgeordnetenhaus gewählt wurde, verdankt sie, abgesehen von ihrer eigenen Arbeit, zwei Männern: dem Fraktionskollegen Roman Simon und dem Bundestagsabgeordneten Jan-Marco Luczak aus Tempelhof-Schöneberg. Bentele musste, um auf den letzten aussichtsreichen Bezirkslistenplatz zu kommen, kampfkandidieren. Und gewann, weil die Ortsverbände von Luczak und Simon ihr Unterstützung zusicherten.

Ohne Mehrheiten wird keiner etwas in einer Partei. Doch auch das Netzwerken fällt Frauen schwerer, mutmaßen einige. „Ich bin keine Anhängerin von Quoten, aber nach mehr als 15 Jahren in der Berliner Union weiß ich, dass sich in dieser Frage ohne Zwang nichts ändern wird. Deshalb ist Mario Czajas Vorschlag revolutionär und würde die Union wirklich verändern“, sagt Bentele. Bei ihr gelang es ohne Quote, mit Hilfe der Männer. „Meine Erfahrung ist: Es waren Männer, die mich konkret unterstützt haben, Frauen beäugen mich eher kritisch.“

Ungeliebte Frauen-Union

Dabei haben sie sogar ihren eigenen Club: Die Frauen Union Berlin. Wer sich umhört, gewinnt den Eindruck, dass dies die unbeliebteste Organisation ist, die die CDU zu bieten hat. Da solle sich keine Frau verkämpfen, sagt eine. „Verein für Kind und Küche“, sagte eine Bezirkspolitikerin. Frauen interessierten doch auch Themen wie Digitales oder Sicherheitspolitik – die würden aber links liegen gelassen.

Sie habe sich außerdem über die unfreiwillige Mitgliedschaft geärgert. Tritt eine Frau in die CDU ein, wird sie automatisch Teil der Frauen Union. Ein Austritt ist möglich, doch vielen ist es einfach egal. Andere pesten, die jetzigen Strukturen und Veranstaltungsangebote seien völlig unattraktiv. „Hier bräuchte es mal eine Revolution von jungen Frauen, die den Laden umkrempeln“, sagt eine. Viele stimmen zu. Anpacken will das bislang keine.

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