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Berlin: „Knut ist auch für mich einfach nett“

Zoo- und Tierparkdirektor Bernhard Blaszkiewitz über Tiere zum Anfassen, artgerechte Haltung und den Ansturm der Besucher

Liegt Knuts Weltruhm wirklich nur daran, dass er so süß ist, oder haben Sie da mit einer PR-Kampagne nachgeholfen?

Das war keine Strategie von uns, der ist einfach hochgeschrieben worden von den Medien. Kleine Elefanten und Giraffen sind ja auch immer populär. Aber der kleine Eisbär hat sehr viel mehr Presse angezogen als sonst üblich. Das war schön; so, wie man es sich wünscht.

Erst hieß es, man hätte Knut lieber einschläfern sollen, und dann mutmaßte die „Bild“-Zeitung, die Pandabärin Yan Yan sei vor Aufregung gestorben wegen der Besuchermassen.

Das ist natürlich Quatsch. Die Besucher waren ja nicht im Pandagehege, die waren bei Knut. Und über die „Bild“-Zeitung haben wir schon in der katholischen Jugend Sketche gemacht.

Ein wirtschaftlicher Erfolg ist Knut ja sicher auch angesichts von rund 30 000 Besuchern allein am vorigen Wochenende.

Ja, aber vor allem ist es gelungen, eine bedrohte Art fortzupflanzen – erst zum dritten Mal im Zoo nach 1940 und 1973. Insofern freuen wir uns jetzt umso mehr. Und die Sache ist ja endlich: Im Herbst wird Knut schon nicht mehr so niedlich sein.

Denken Sie bei Knuts Anblick: „Toller Zuchterfolg?“

Zunächst mal ist er auch für mich einfach nett. Dass es gelungen ist, eine bedrohte Tierart zu vermehren, ist erst die Überlegung danach.

Ist der Zoo für Sie in erster Linie eine wissenschaftliche Einrichtung, die halt auch zahlende Besucher braucht?

Umgekehrt: Zoos sind vor allem für die Menschen da. Der Mensch hat sich den Zoo geschaffen für seine urbane Umwelt, in der er keine Tiere mehr um sich hat. Deshalb entstanden die meisten Zoos in den letzten 150 Jahren. Es geht darum, möglichst viele Menschen an die Natur zu führen. Dazu trägt Knut entscheidend bei.

Fürchten Sie, dass die Euphorie schnell in eine unerfreuliche Grundsatzdebatte über Zoos und artgerechte Tierhaltung umschlagen könnte, wenn – was uns erspart bleiben möge – Knut plötzlich stirbt wie der Panda Yan Yan vor wenigen Tagen?

Wo geboren wird, wird auch gestorben. Jeden Tag. Wegen Yan Yan haben wir uns definitiv nichts vorzuwerfen. Das Krankheitsgeschehen lief binnen Stunden ab, und die Geschichten über eine Vernachlässigung wegen Knut sind völliger Unsinn. Um die Pandas kümmern sich ganz andere Pfleger als um den Eisbären. Und was die Haltung im Zoo betrifft: „Artgerecht“ ist ein blödes Wort. Für mich heißt es, womit eine Art zurechtkommt. Woanders gehen Bären an Mülltonnen. Und Schwalben setzen sich auf Telegrafendrähte, das ist auch nicht natürlich. Wir müssen den Zoo eben so gestalten, dass Tiere möglichst viele ihrer Verhaltensweisen ausleben können. Beschränkt werden sie natürlich immer – ob es um den Hund zu Hause geht, die Kuh im Stall oder den Vogel in der Voliere.

Ist der Zoo wegen des Platzmangels da besonders problematisch?

Gerade bei den Huftieren tauschen wir viel mit dem Tierpark aus, weil der größere Flächen hat. Aber in vielen Bereichen ergänzen sich beide wunderbar. Wir haben beispielsweise keine Affenart mehr doppelt. Oder das begehbare Kängurugehege im Tierpark: So etwas funktioniert im Zoo nicht ohne Weiteres.

Geht der Trend zum begehbaren Gehege?

Uns wird ja immer vorgeworfen, wir seien nicht „Event“ genug. Wobei ich schon das Wort für bekloppt halte, denn ein Besuch im Zoo oder Tierpark ist immer ein Erlebnis. Aber die Tiere erlebbarer zu machen, beispielsweise durch Anfassen, ist sinnvoll. Immerhin haben wir das älteste begehbare Gehege der Welt: Die Krokodilhalle im Zoo-Aquarium ist von 1913. Und Kundenbindung funktioniert auch über Traditionen wie die Pfingstkonzerte oder über die Zooschule für die Besucher von morgen.

Die Besucher von heute zahlen elf Euro Eintritt. Ist die Schmerzgrenze erreicht?

Nein. Ich kann nicht versprechen, dass die Preise jahrelang konstant bleiben werden. Aber die Jahreskarten für 55 Euro sind so attraktiv, dass wir inzwischen mehr als 10 000 davon verkauft haben.

Bleiben Sie Ihrem alten Vorsatz treu, jeden Tag mindestens ein Tier anzufassen?

Ja, ich drehe ja jeden Tag meine Runde durch den Zoo oder den Tierpark, je nachdem, wo ich gerade bin.

Wo fühlen Sie sich heimischer?

Das nimmt sich nichts. Mit dem Zoo bin ich aufgewachsen, aber ich war mit fünf Jahren zum ersten Mal im Tierpark und leite ihn seit 16 Jahren. Und die Ost-West-Diskussion lehne ich ab, zumal beide Tiergärten schon früher mustergültig zusammengearbeitet haben.

Die Verhandlungen über einen neuen Vertrag mit dem Land für 2008 bis 2011 stehen an. Fürchten Sie eine Debatte über die Existenzberechtigung zweier Tiergärten – zumal der Tierpark wegen seiner geringeren Besucherzahl mehr Zuschuss braucht?

In den Zoo gehen eben mehr Touristen. Und die Zuwendungen für den Tierpark sind in den vergangenen zehn Jahren fast halbiert worden. Weder Zoo noch Tierpark sind staatliche Einrichtungen. Aber da beide weiter Zuschüsse brauchen, ist eine wohlwollende Beziehung zum Finanzsenator sinnvoll. Bisher sind wir mit dem Land nicht schlecht gefahren. Und eine Grundsatzdebatte nach dem Motto, ein Zoo reicht auch, erwarte ich nicht.

Lässt sich das jeweilige Profil schärfen?

Wir betonen ja schon immer mehr den landschaftlichen Charakter des Tierparks. Aber ansonsten sind es eben zwei zoologische Gärten mit wissenschaftlicher Leitung. Dass es einen gemeinsamen Direktor gibt, verlängert zwar meine Fahrwege und meinen Arbeitstag, aber es macht manches einfacher.

Was sind die dringendsten Sanierungsfälle? Das Alfred-Brehm-Haus mit seinen voll aufgedrehten Uraltheizkörpern sieht beispielsweise sehr bedürftig aus.

Ja, das ist von 1963 und muss ebenso überholt werden wie das Vogelhaus im Zoo. Das sind die dringendsten Dinge, für die wir Lottomittel beantragen werden. Außerdem werden wir uns die Elefantenanlage im Tierpark vornehmen.

Neulich gab es in der Tierpark-Cafeteria sechs Fleischgerichte, keinen Fisch und ein sehr überschaubares Salatbuffet.

Fisch gibt es eigentlich immer, der war höchstens ausverkauft. Und wer Vegetarier ist, ist selber schuld. Dafür habe ich wenig Verständnis. Der Mensch ist physiologisch nicht auf ausschließlich vegetarische Ernährung ausgelegt. Wer ohne tierisches Eiweiß auskommt, tut seinem Körper nichts Gutes. Ich bedaure auch diese Leute, die morgens Vogelfutter fressen. Wenn das der liebe Gott gewollt hätte, hätten wir einen Schnabel.

Was versprechen Sie sich von der Nachbarschaft des Aussichtsrades am Zoo?

Ich bin Berliner genug, um mir die Wiederbelebung der West-City zu wünschen. Wir hatten auch schon sehr sachliche Gespräche mit den Projektentwicklern des Riesenrades. Sie sind ja unsere Nachbarn.

Welche Tiere mögen Sie besonders?

Nashörner, weil ich die schon als Student gepflegt habe. Die sind längst nicht so aggressiv, wie oft behauptet wird. Auch zu Elefanten kann man eine große Nähe fühlen, die gehören zu den ganz großen Hirnakrobaten.

Welche Tiere halten Sie für überschätzt?

Delfine. Die können auch nicht mehr als jeder Foxterrier.

Das Gespräch führte Stefan Jacobs

1974 half Bernhard Blaszkiewitz (53)

erstmals bei der Tierpflege im Zoo. Seit 1991 leitet der studierte Biologe den Tierpark Friedrichsfelde, seit Februar 2007 ist er auch Zoodirektor.

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