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Berlin: Kreuzberger Schule kaputtrepariert Wie man mit Feuerschaden eine Sporthalle auf Eis legt

Ein Lehrstück aus dem Berliner Verwaltungstheater

Die Berliner Landeskasse ist chronisch leer. Trotzdem verhindern bürokratische Hürden und gesetzliche Beschränkungen, dass ein Schaden schnell repariert wird. Sogar zusätzliche Einnahmen gehen dem Land so verloren, wie das folgende Lehrstück in fünf Akten beweist. Ort der Handlung: Das Oberstufenzentrum Handel I in der Kreuzberger Wrangelstraße.

Erster Akt

Am 1. Mai steigen Unbekannte in die Tiefgarage des Oberstufenzentrums Wrangelstraße in Kreuzberg ein und legen Feuer. Ein Auto brennt aus, an der Tiefgarage entstehen erhebliche Zerstörungen. Der Gesamtschaden wird auf 87 000 Euro taxiert. Die Brandstifter sind bisher nicht ermittelt.

Die Berliner Schulen dürfen Reparaturen nicht selbstständig in Auftrag geben. Also wird das Landesschulamt informiert. Mehrere Ortsbesichtigungen folgen. Das Landesschulamt zieht die Senatsbauverwaltung hinzu, da diese für die Oberstufenzentren zuständig ist. Im Juni soll die Sanierung beginnen. Noch ist der Schulbetrieb nicht beeinträchtigt. Nur die Lehrer müssen sich neue Parkplätze suchen.

Zweiter Akt

Die Versicherung bietet als Schadensregulierung pauschal 127 000 Euro an – 40 000 Euro mehr, als der tatsächliche Schaden beträgt. Die Bauverwaltung verzichtet darauf. Kurioserweise will sie damit das Geld für die Schule retten. Denn vor einem unbürokratischen Vorgehen, wie es die Versicherung vorschlägt, steht die Landeshaushaltsordnung. Hätte die Versicherung diese Summe wie geplant einfach an die Hauptkasse des Landes überwiesen, wäre sie als Einnahme im Gesamthaushalt verbucht worden – und damit für die Schule verloren. Ist das Geld erst einmal beim Finanzsenator, ist es schwierig und langwierig, davon wieder etwas zurückzuholen. Es gibt es nur einen Weg: erst Reparatur, dann Rechnung, dann Geld von der Versicherung, und zwar auf den Cent genau.

Dritter Akt

Die Bauverwaltung beauftragt ein Architektenbüro mit der Planung der Arbeiten. Dasselbe Büro plant auch die für Anfang 2003 geplante Sanierung der Duschen und Umkleideräume der Sporthalle direkt über dem Parkhaus. Die Juniwochen vergehen ebenso wie die Sommerferien. Die Bauverwaltung entscheidet nach weiteren Ortsbegehungen, die Reparatur des Brandschadens mit der ohnehin geplanten Grundsanierung Anfang 2003 zu verbinden. Man will sich damit ersparen, erst die Reparatur zu erledigen und dann für die Sanierung ein paar Monate später wieder alles aufreißen zu müssen. Im September stemmen Arbeiter die brandbeschädigte Decke der Tiefgarage auf und legen die Versorgungsleitungen für Heizung, Be- und Entwässerung der darüberliegenden Sporthalle frei. So etwas nennt sich Baustellensicherung.

Vierter Akt

Der erste November-Frost lässt die noch immer freiliegenden Leitungen für Heizung und Wasserversorgung gefrieren und platzen. Heizung, Duschen und Toiletten der Sporthalle sind nicht mehr nutzbar. Der Schulleiter sperrt die Halle am 12. Dezember. Bei einer erneuten Begutachtung stellt man Schäden auch an den elektrischen Leitungen fest. Die Bauverwaltung schreibt weitere Einzelarbeiten aus, weil das Landesgesetz dies auch schon bei geringerwertigen Projekten fordert. Wieder vergeht Zeit. Mehrere Firmen bekommen einen Auftrag – jeweils zuständig für die Heizkörperventile, Lüftung oder die Heizkörper.

Fünfter (vorerst letzter) Akt

Bis kommende Woche, so verspricht die Baufirma, sei die Sporthalle wieder benutzbar. Bis zum Ende der Osterferien sollen die Bauarbeiten „im Wesentlichen“ abgeschlossen sein, heißt es bei der Senatsbauverwaltung. Die Osterferien enden am 25. April – fast ein Jahr nach dem Brandanschlag.

Fazit

Dem Land sind 40 000 Euro aus der Differenz zwischen dem Versicherungsangebot und der tatsächlichen Schadenssumme entgangen. Allerdings geht die Senatsbauverwaltung davon aus, dass durch die nachträglich ermittelten Brandzerstörungen die veranschlagte Summe von 87 000 Euro am Ende höher ausfallen wird. Die Frostschäden bringen zusätzliche Kosten für den Haushalt. 6000 Schüler haben ein ganzes Semester lang keinen Sport mehr. Zehn Sportvereine, die die Halle nutzen, sind ohne Trainingsstätte. Durch die dauernde Sperrung der Tiefgarage fehlen der Schule jeden Monat 400 Euro Mieteinnahmen.

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