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Berlin: Lange Nacht der Unverdrossenen

Die Politiker riefen, die Bürger kamen ins frisch renovierte Rathaus Lichtenberg

Damit hatten selbst die kühnsten Lichtenberger Politiker nicht gerechnet. Sie veranstalten eine „Lange Nacht der Politik“ und die Bürger strömen an diesem Freitagabend tatsächlich herbei, schieben sich durch das frisch sanierte Rathaus, studieren Info-Tafeln, sprechen mit den Vertretern des Jugendparlaments, stellen hartnäckig Fragen, wie es denn weitergehen solle mit der Verkehrsberuhigung. Von Politikverdrossenheit keine Spur.

Im großen Ratssaal finden den ganzen Abend über Bürgerforen statt. Die PDS- Bezirksstadträtin Katrin Lompscher lädt beispielsweise zum Gespräch über Kultur, der Saal ist gut gefüllt. Gleich in der ersten Reihe sitzt ein bulliger Typ mit glattrasiertem Schädel. Es ist der Oberspielleiter des Kinder- und Jugendtheaters An der Parkaue, Marc Bunge. „Stasi, Platte, Nazis“ umreißt er die Sicht Restdeutschlands auf Lichtenberg. Doch sein Theater werde der Jugend die reiche Historie Lichtenbergs nahe bringen, sagt der 36-Jährige. Derzeit sammelt er Spenden für eine Leuchtschrift, damit das Theater, das auf einer Anhöhe im Stadtpark liegt, in den Rest Berlins ausstrahle. Die Lichtenberger klatschen, die Bezirksstadträtin lacht, es riecht nach Wachs, das Parkett ist frisch versiegelt.

Fünf Jahre lang sind die Bauarbeiter im Lichtenberger Rathaus ein- und ausgegangen, rekonstruierten den Backsteinbau aus dem Jahr 1898 denkmalgerecht. Im Treppenhaus prangen Stadtwappen, die Geländer sind aus dunklem Holz, die Fenster aus buntem Glas, der Boden ist gefliest. 2,8 Millionen Euro hat die Sanierung gekostet. Nun wollte man das Rathaus feierlich „der Bürgerschaft übergeben“. Scheinwerfer strahlen den dreistöckigen Bau mit seinen Türmchen, Medaillons und gotischen Bögen von außen an, er leuchtet Kaminrot.

Die Sanierung des Gebäudes in der Möllendorffstraße am S-Bahnhof Frankfurter Tor war notwendig geworden, weil das Dach einzustürzen drohte. Außerdem war das Rathaus für Behinderte ein Albtraum. „Sie hätten das Haus mal sehen sollen. Es war düster, kein Ort, wo man gerne hinging“, sagt Andreas Geisel (SPD). Er ist der Bezirksstadtrat für Umwelt. Mit selbst geschriebenem Namensschild steht er in seinem großen Dienstzimmer. „Jetzt ist das ein modernes Dienstleistungsgebäude“, sagt Geise. Er hat Karten mit den Plänen seiner Behörde ausgelegt, die Lichtenberger studieren sie.

Ein paar Räume weiter hat die PDS, die in Lichtenberg mit absoluter Mehrheit regiert, den „Heißen Stuhl“ eingerichtet. Dazu hat sie sich den historischen Bürgermeistersessel aus dem Heimatmuseum geborgt. Der PDS-Fraktionsvorsitzende Bernd Ihme sitzt auf dem Samtbezug und sagt, dass er schon oft hinschmeißen wollte, man sei ja nur ehrenamtlich. Einen Raum weiter veranstalten die beiden FDP-Abgeordneten in dunklen Dreiteilern ein Quiz à la Jauch. Ein paar Freunde machen mit. In Lichtenberg wohnen 260 000 Menschen. Die FDP hat 74 Mitglieder.

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