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Berlin: Liebermanns Familienbande

Die Historikerin Marina Sandig stellt in der Neuen Synagoge ihre Biografie des Malers und seines ziemlich großen Stammbaums vor

Als zwei Herren das Transparent endlich entrollt haben, ist die Bühne komplett verhüllt und die Autorin, um die es an diesem Vormittag in der Neuen Synagoge geht, vorübergehend unsichtbar. Auf das Transparent ist der imposante Stammbaum der preußisch-jüdischen Familie Liebermann gedruckt – der Familie des Malers, Kunstmäzens und Berliner Ehrenbürgers Max Liebermann. Die Familie hat bis 1933 in Berlin gelebt.

Die Autorin heißt Marina Sandig, sie ist Berlinerin, 52 Jahre alt und Historikerin am Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Sie stellte am gestrigen Mittwoch eine Familienbiografie der Liebermanns vor. Ihr Ansatz, Max Liebermann für heutige Leser mit Hilfe seiner Familiengeschichte verstehbar zu machen, ist so simpel wie bemerkenswert. Hermann Simon, Direktor der Stiftung Neue Synagoge, der bei der Präsentation des Buches assistiert, sagt es so: „Wenn man dieses Ergebnis sieht, muss man schon sagen: Es ist doch verblüffend, dass bisher niemand auf diese Idee gekommen ist.“

Es ist eine Weile her, dass das Buch bloße Idee war. Vor acht Jahren hatte die Forscherin ihr Projekt zum ersten Mal öffentlich vorgestellt. Seither hat sie daran gearbeitet. Sie habe, sagt sie selbst, „etwa 700 Dokumente gesichtet und mit Nachfahren der Familie in aller Welt gesprochen“. Das Ergebnis, in Zahlen: Rund 420 Seiten über sechs Generationen Liebermann – von 1710 bis in die Gegenwart, rund 400 Familienmitglieder. Dem Stammbaum mit den verschiedenen Linien der Familie sind 23 Seiten in dem Buch gewidmet. Sandig zieht in ihren Darstellungen Verbindungen zwischen Liebermann und seiner Familie so, dass sie in einigen Details gängigen Darstellungen widerspricht. Der Vater, zum Beispiel, „war keineswegs völlig dagegen, dass sein Sohn Maler wird. Er wollte nur, dass er zuvor die Schule abschließt.“

Sie habe zum großen Teil Quellenforschung betrieben, noch einmal ganz vorne angefangen, sagt Marina Sandig. „Auch in einigen anderen Publikationen über Max Liebermann findet man elementare Fakten wie Geburts- oder Sterbedaten falsch wiedergegeben.“

Was sie an den Liebermanns so sehr fasziniert hat, dass sie sich über einen so langen Zeitraum ziemlich ausschließlich mit der Familie beschäftigt hat? In ihrem Buch antwortet sie mit einem Thomas-Mann-Zitat: „In Liebermann bewundere ich Berlin.“ Im Gespräch sagt sie: „Ohne seine Familie, ohne die Förderung durch seine Onkels und Tanten und durch seine Schwester wäre Max Liebermann nicht dieser begnadete Maler geworden. Max Liebermann ohne Familie ist nicht Liebermann.“ Thomas Mann würde es vielleicht so sagen: Die Autorin bewundere Berlin in den Liebermanns.

Die Liebermanns. Ein biografisches Zeit- und Kulturbild der preußisch-jüdischen Familie und Verwandtschaft von Max Liebermann. Verlag Degener & Co 2005, 423 Seiten, 32,90 Euro.

Marc Neller

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