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Berlin: Lokalmatador trifft Atlantiker

Klaus Wowereit gegen Friedbert Pflüger – wer hat welche Qualitäten? Der Staatssekretär Pflüger soll im Herbst für die CDU antreten. Der Regierende Bürgermeister Wowereit steht schon bereit

Seit gestern stehen die Kontrahenten für das Wahl-Duell im Herbst so gut wie fest. Der CDU-Landesvorsitzende Ingo Schmitt ist jedenfalls entschlossen: Am heutigen Freitag will er den drei Kollegen aus der Kandidatenfindungskommission Friedbert Pflüger vorschlagen. Die zwölf Kreisvorsitzenden und der Landesvorstand sollen dann am kommenden Montag entscheiden. Der Tagesspiegel sagt, welche Stärken die beiden Kandidaten haben.

Niemand zweifelt daran, dass der ehemalige Mitarbeiter Richard von Weizsäckers der Berliner CDU ziemlich herzlich willkommen sein wird. Zu lang, zu pannenreich, zu deprimierend waren Schmitts Bemühungen um Klaus Töpfer gewesen, als dass sich noch einer von Gewicht in der Berliner CDU hinstellen und gegen Pflüger polemisieren könnte. Als vor gut zwei Wochen die Töpfer-Kandidatur sich erledigte, war Pflüger auf einmal im Gespräch. Erst hielten ihm einige vor, dass er 1991 bei der Bundestags-Abstimmung über den Parlaments- und Regierungsumzug für Bonn gewesen sei. Dann verstanden sich die vier Kandidaten-Rekruteure Schmitt, Generalsekretär Frank Henkel, Fraktionschef Nico Zimmer und Michael Braun, Kreischef der Südwest-CDU, so gut mit Pflüger, dass aus der Idee ein konkretes Vorhaben wurde. Einige aus der Bundes-CDU dürften sich für Pflüger stark gemacht haben. Jetzt bleiben dem So-gut-wie-Kandidaten noch acht Monate, um die Berliner davon zu überzeugen, dass die Hauptstadt-CDU in Form gekommen ist.

BERLIN–GEFÜHL

Sozusagen naturgegeben: Wowereit ist gebürtiger Berliner und immer hier geblieben – als Jura-Student wie in den elf Jahren als Tempelhofer Bezirksstadtrat. Die starke Zuneigung zur Stadt nimmt man ihm ab: Wowereit ist gern unter Leuten, gern lange auf, gern unterwegs und kulturinteressiert.

War schon intensiver, als Pflüger noch Richard von Weizsäcker zuarbeitete. Doch kennt er Berlin als hier lebender Berufspolitiker und Mitte-Bewohner gut. Die richtigen Worte für die Stadt wird er schnell finden. Und seit den Zeiten des Bundeskanzlers Schröder ist die Spezies des Hannoverberliners hier akzeptiert.

MACHER–QUALITÄT

Wowereit hat sich vom Klarmacher zum Krisenmoderator entwickelt: Erst brachte er den Berlinern bei, dass die fremd finanzierten fetten Jahre vorbei sind. Nun macht er mit Erfolg zur Chefsache, was nach beherztem Eingreifen verlangt: platzende WM-Eröffnungsfeste wie Ku’damm-Theaterschließungen.

Würde man Pflüger wegen seiner Arbeit an Richard von Weizsäckers politisch-moralischer Aureole „Präsidentenmacher“ benennen, könnte man sich vor Dementis aus Bescheidenheit nicht retten. Also: Politikmacher, Außen- und Verteidigungspolitik-Maschinist, einer, der den komplexen Betrieb in Gang hält.

KOALITIONS–FÄHIGKEIT

Wowereit ist kein ideologischer Sozialdemokrat, eher prägt ihn seine Herkunft. An Koalitionen interessiert den Machtmenschen, welche sich am besten managen lässt. Die Linkspartei macht ihm weniger Arbeit als es die immer noch mächtig empörungsbereiten und lauten Grünen täten.

Pflüger gehört zu den „Liberalen“ in der Union – jenen, die wollen, dass die CDU regiert und es mit den konservativen Grundsätzen nicht übertreibt. Kohl-Kritiker war er auch – kein Wunder, dass er zur Bonner Pizza-Connection gehörte, Kontakte mit Grünen für richtig hält und gern mal nach Jamaica will.

BUNDES-POLITISCHES GEWICHT

Die Kräftigung der Linkspartei hat Wowereits bundespolitisches Gewicht nach der Bundestagswahl kräftig erhöht: Der Chef der SPD/PDS-Koalition erscheint als Modellathlet, auch wenn er vor der Wahl nur mit dem Argument gekommen war, man solle ein rot-rotes Bündnis im Bund nicht ausschließen.

Pflüger dürfte eine Gewichtsklasse über Wowereit liegen, mindestens. Vom Superschwergewicht ist der Parlamentarische Staatssekretär gewiss noch weit entfernt. Dafür ist er mit Christian Wulff bestens und mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel offenbar gut verdrahtet: Sie muss seinen Erfolg wollen.

BEDEUTUNG IM AUSLAND

Vorbei sind die Zeiten, in denen man fürchten musste, dass Wowereit beim Städtetrip zu lange aufbleibt oder asiatische Geschäftsleute mit langweiligen Reden nervt. In Israel, vor allem in Jerusalem, bewies der Regierende Bürgermeister vergangenen November Taktgefühl und diplomatisches Geschick.

Das ist das Konservative an Pflüger: Dass er bekennender Atlantiker ist und jenseits des Atlantiks so wahrgenommen wird. Er war Vorsitzender des EU-Ausschusses, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, 2003 mit Merkel in Washington – nicht bloß ein Brückenbauer, eine lebende Atlantik-Brücke.

SYMPATHIE–FAKTOR

Der Mann kommt bei vielen an, er kann spontan und schlagfertig sein, er geht auf die Leute zu und er weiß sich im Fernsehen zu vermarkten. Er ist ein professioneller und passionierter Darsteller des Berliner Lebensgefühls: Nicht alles läuft rund, aber die Stadt ist spannend, schnell, offen und immer neu.

Politiker müssen Schauspieler-Qualitäten haben. Politiktalente haben außerdem die Fähigkeit, in jeder Situation so zu wirken, als könnten sie sich keine nettere menschliche Umgebung vorstellen. Pflüger hat da, so scheint es, von Richard von Weizsäcker Entscheidendes gelernt.

INNOVATIONS–FAKTOR

Für Chefsachen hat Wowereit nur kurzzeitig was übrig – siehe oben. Was auf lange Sicht aus der Stadt werden soll, weiß er entweder nicht, oder es würde sich begrifflich so schrecklich nach Touristenhauptstadt, Verkehrstechnologie-Metropole, Altenpflegezentrum anhören, dass er lieber wissend schweigt.

In die Berliner Politik muss sich Pflüger erst einarbeiten, aber dann könnte er für frische Ideen gut sein. Pflüger gehört, anders als Wowereit, zu den Bücherschreibern unter den Politikern. Das sind die, die ein paar tiefere Spuren legen wollen. Er hat sich mit Ökologie ebenso befasst wie mit der Politikermoral.

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