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Berlin: Ob antisemitische Gründe oder zur Eindämmung von Namensdopplungen - eine Broschüre gibt Aufschluss

"Nach den heutigen Grundsätzen unerwünscht" sei die bisherige Namensgebung der Steglitzer Marksteinstraße, teilte der Bezirk in einer Pressenotiz von 1938 lapidar mit. Rund 40 Jahre lang hatte die kleine Nebenstraße an den Bauunternehmer Julius Markstein erinnert, dann verschwand der Name aus dem Stadtbild.

"Nach den heutigen Grundsätzen unerwünscht" sei die bisherige Namensgebung der Steglitzer Marksteinstraße, teilte der Bezirk in einer Pressenotiz von 1938 lapidar mit. Rund 40 Jahre lang hatte die kleine Nebenstraße an den Bauunternehmer Julius Markstein erinnert, dann verschwand der Name aus dem Stadtbild. Begründung der Nazis: Markstein sei ein "jüdischer Mischling ersten Grades", weil seine Großeltern Juden gewesen seien. Die nationalsozialistische Bezirksverwaltung beantragte deshalb beim Polizeipräsidenten die Umbenennung in Suchlandstraße. Mit der neuen Bezeichnung sollte an eine alte Steglitzer Bauernfamilie erinnert werden. Als die Umbenennung schließlich am 24. September 1938 formal beschlossen wurde, standen keine Emailleschilder zur Verfügung: Aufgrund der großen Zahl von Umbenennungen, die es zu dieser Zeit in Deutschland gab, kam es zu Lieferschwierigkeiten. Die "Marksteinstraße" war nur eine von vielen, die dem Antisemitismus zum Opfer fielen. Diesem vergessenen Teil der Geschichte geht jetzt eine Broschüre des Arbeitskreises "Nationalsozialismus in Steglitz" nach.

Insgesamt sind von 1933 bis Kriegsende in Steglitz über 100 Straßen umbenannt worden. Nicht immer waren antisemitische Beweggründe ausschlaggebend: Bereits seit 1920 gab es Bestrebungen, die Namens-Dopplungen - wie etwa die "Schlossstraße", die es noch heute in drei Bezirken gibt - nach und nach zu tilgen. Im übrigen waren viele Straßen in Steglitz bis dato lediglich nummeriert. Die Liste mit den seit der Machtübernahme der Nazis neu benannten Straßen offenbart, dass durchaus nicht nur "nationalsozialistische Helden" ein Schild im Straßenbild erhielten. Auch Orte in Thürigen, Franken und Schlesien wurden auf dem Stadtplan eingetragen. Eigene Kapitel widmen die Verfasser der Broschüre den Militär-Straßennamen sowie einem geplanten Viertel mit den Namen von Ärzten. Auch der Fall der "deutschen Ingenieure" wird gesondert behandelt. Die Idee, nach ihnen Straßen zu benennen, stammte von einem Steglitzer, der im 1938 an die Behörden schrieb. Er sei der Meinung, dass "eine Reihe von deutschen Erfindern deutschen Geblütes unverdienter Weise fast in Vergessenheit geraten" seien. Der Verfasser schlägt eine Reihe von Namen vor - etwa Karl von Drais, der Erfinder des Fahrrads, oder Joseph Ressel, der maßgeblich an der Entwicklung der Schiffsschraube mitwirkte. Die Bürokratie griff den Vorschlag auf - Resselsteig und Draisweg gibt es bis heute. Eine Marksteinstraße dagegen sucht man heute vergeblich. Die Straße trägt noch immer den Namen von 1938. JOHANNES METZLERDie Broschüre "Straßenname dauert noch länger als Denkmal - Die Benennung von Straßen in Berlin-Steglitz 1933-1948" ist in der Schwartzschen Villa, Grunewaldstraße 55, zum Preis von 5 Mark erhältlich.

Die Broschüre \"Straßenname dauert noch

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