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Unfall in Schönfließ: Polizist entlastet: Querschläger tötete flüchtenden Dieb

Das Obduktionsergebnis des 26-Jährigen, der in der Silvesternacht von einer Polizeikugel getötet wurde, liegt inzwischen vor - lässt aber viele Fragen offen. Der Getötete hatte über 100 Einträge in Strafakte - von Diebstahl bis Fahrerflucht.

Der 26-jährige Mann, der am Silvesterabend von einem Berliner Polizisten erschossen wurde, ist wahrscheinlich durch einen Querschläger getötet worden. „Es war kein gezielter Schuss“, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt von Neuruppin, Gerd Schnittcher. Dies sei bei der Obduktion festgestellt worden. Die Richtung, aus der das Geschoss in die Lunge eindrang, die Eindringtiefe und die Verformung des Geschosses sprächen für einen Querschläger. Gegen den Schützen wurde – wie üblich – „zur Klärung der Rechtmäßigkeit des Schusswaffeneinsatzes“ ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Totschlags eingeleitet. Es seien „nicht wenige“ Schüsse abgegeben worden, sagte Schnittcher – dem Vernehmen nach sechs. 2008 schossen Polizisten in Berlin insgesamt vier Mal auf Menschen.

„Ich gehe von einer Notwehrlage aus“, sagte Berlins Polizeivizepräsident Gerd Neubeck gestern. Der Beamte sei nicht suspendiert worden. Im Polizeipräsidium wurden aber auch Fragen laut, wieso der Polizist so oft auf die Beifahrertür gefeuert habe. „Auch wenn es ein Querschläger war, reingewaschen ist der Kollege damit nicht“, sagte ein leitender Beamter. Ganz nach Lehrbuch sei der Einsatz ohnehin nicht gelaufen, hieß es. So sei der dritte Beamte im Auto sitzen geblieben, offensichtlich weil er keine Waffe dabeihatte.

Der beschuldigte Polizist hat die Aussage verweigert. Seine beiden Kollegen haben als Zeugen den Einsatz geschildert. „Da sind aber einige Fragen offengeblieben“, sagte Schnittcher.   Die Staatsanwaltschaft will jetzt alle Zeugen vernehmen, zudem soll das Geschehen vor Ort nachgestellt werden. „Wir wollen den genauen Ablauf rekonstruieren“, kündigte der Leiter der Staatsanwaltschaft an. In der kommenden Woche soll der Bericht der Kriminaltechnik (KT) vorliegen. Der Bericht  soll vor allem klären, ob es sich tatsächlich um einen Querschläger handelte. Es werde aber nicht einfach sein, in dem durch den Unfall stark beschädigten Wagen die Abprallstelle der Pistolenkugel zu finden, hieß es.

Dennis J. sollte eine Strafe von 13 Monaten wegen verschiedener Verkehrsdelikte absitzen. Anfang Mai 2008 sollte er die Strafe in der JVA Hakenfelde antreten – doch er ignorierte die schriftliche Aufforderung. Daraufhin wurde Haftbefehl erlassen, im Juni wurde er zur Fahndung ausgeschrieben. Im Melderegister wurde er als „unbekannt verzogen“ geführt. Zudem soll es einen zweiten Haftbefehl eines anderen Bundeslandes geben, sagte Schnittcher.

Oberstaatsanwalt Schnittcher wies Kritik an der Polizei zurück, dass der Haftbefehl wenige Stunden vor dem Jahreswechsel noch vollstreckt werden sollte. „Der Ablauf ist normal.“ Schließlich hätten die Beamten einen Hinweis bekommen, dass J. an diesem Abend seine Freundin in dem kleinen Ort nordöstlich von Frohnau abholen wollte. Drei Beamte fuhren in einer Zivilstreife von ihrem Abschnitt am Kurfürstendamm nach Schönfließ. Dort stellten sie ihren Wagen in der Sackgasse vor den Jaguar. Doch Dennis J. fuhr mehrfach vor und zurück und kam so frei. Dabei berührte er einen Beamten, der links vom Fahrzeug stand. Daraufhin soll der andere Beamte, der auf der Beifahrerseite stand, aus geringer Entfernung auf den Wagen gefeuert haben. Erst danach rammte der getroffene J. das Polizeiauto und krachte schließlich in drei geparkte Autos. Ob der Jaguar gestohlen war, konnte die Polizei auch gestern nicht klären.

Dennis J. war nicht bewaffnet. Hätte es dazu Erkenntnisse gegeben, wäre die Festnahme durch Spezialisten des LKA erfolgt. Seit zehn Jahren ist J. durch zahlreiche Straftaten aufgefallen, gut 100 Einträge hat seine Akte – von Raub, Körperverletzung, Diebstahl bis Unfallflucht. Im November 2006 war er einer Polizeikontrolle in der Karl-Marx-Straße davongerast. Dabei gefährdete er Passanten und rammte ein Auto. Das hatte ihm die 13 Monate Haft eingebracht.

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