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Der „Garten der Sternenkinder“ auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Schöneberg

© Kitty Kleist-Heinrich/Tagesspiegel

„Recht auf Erholung und Trauer“: Berliner FDP will bessere Hilfen für Eltern nach Fehl- und Totgeburten

Die Berliner Freidemokraten fordern vom Senat eine „Strategie zur Erforschung und besseren Versorgung von Fehl- und Totgeburten“ – und schlagen sechs Maßnahmen vor.

Die FDP-Fraktion will bessere Unterstützung für Eltern, die Fehl- oder Totgeburten erlitten haben. In einem entsprechenden Antrag im Berliner Abgeordnetenhaus, der am Donnerstagabend beraten werden soll, fordern die Freidemokraten den Senat auf, eine „Strategie zur Erforschung und besseren Versorgung von Fehl- und Totgeburten zu entwickeln“.

Federführend ist Maren Jasper-Winter, Sprecherin für Frauenpolitik ihrer Fraktion. Bereits während der Verhandlungen der Ampel auf Bundesebene hatte sich die FDP-Frau erfolgreich dafür eingesetzt, dass eine Ausweitung des Mutterschutzes nach Tot- und Fehlgeburten in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde.

Bisher haben Mütter, die ein totes Kind zur Welt bringen, gesetzlich nämlich nur Anspruch auf Mutterschutz, wenn mindestens die 24. Schwangerschaftswoche oder ein Geburtsgewicht von 500 Gramm erreicht sind. Erst dann ist rechtlich von einer Totgeburt die Rede.

Nach einer Fehlgeburt hingegen, also wenn die Geburt vor der 24. Woche stattfand und das Kind weniger als 500 Gramm wog, besteht kein Anspruch auf Mutterschutz. Die Ampelkoalition will das ändern: Anspruch auf Mutterschutz sollen alle Frauen bekommen, die nach der 20. Schwangerschaftswoche eine Fehl- oder Totgeburt erleiden.

Jasper-Winter will das Thema weiter enttabuisieren

Im Zuge ihres Engagements in der Angelegenheit war Jasper-Winter im Tagesspiegel auch mit ihrer persönlichen Erfahrung an die Öffentlichkeit getreten: Die Abgeordnete und ihr Ehemann verloren 2014 eine kleine Zwillingstochter, nachdem diese als Frühchen tot zur Welt kam.

4,34
von 1000 Geborenen kamen 2021 in Deutschland tot zur Welt

Die Reaktionen auf ihren Schritt erschütterten sie: „Bei mir haben sich Frauen gemeldet, die sich ermutigt gefühlt haben, über ihre eigene Fehl- oder Totgeburt zu sprechen – oft zum ersten Mal seit Jahren oder sogar Jahrzehnten“, sagt Jasper-Winter dem Tagesspiegel. Auch auf dem Friedhof, wo sogenannte Sternenkindergräber jetzt schon oft ihr eigenes Feld bekommen, tauschte sie sich mit anderen Eltern aus.

Der FDP-Antrag enthalte „die Quintessenz dieser Gespräche“, sagt die Abgeordnete. Sechs Maßnahmen, „die Betroffenen ganz konkret helfen würden“, darunter die Einführung eines Totgeburtenregisters, um die Datenlage auf verlässliche Füße zu stellen.

Zeit zum Trauern auch für die Partner

Weiterhin fordert die FDP den Senat auf, finanzielle Mittel für Ursachenforschung sowie die Krankenhäuser bereitzustellen, um die Versorgung von betroffenen Eltern zu verbessern. Berlin soll sich außerdem auf Bundesebene dafür einsetzen, dass nicht nur der Mutterschutz nach Fehl- und Totgeburten erweitert wird, sondern auch ein Partnerschutz neu eingeführt wird. „Die Partner sind auch betroffen und haben ein Recht auf Erholung und Trauer“, sagt Jasper-Winter.

Am wichtigsten sind ihr aber zwei Punkte: Es brauche ein „berlinweit einheitliches und verlässliches Leitsystem“, das Eltern nach Fehl- und Totgeburten „frühzeitig bei der körperlichen und seelischen Nachsorge unterstützt“. Bisher, sagt die Abgeordnete, sei es eine Frage des Zufalls, ob Krankenhäuser über in der Hinsicht geschultes Personal verfügten. Zu oft würden Eltern mit ihrer Trauer und den Fragen, wie etwa nach Möglichkeiten zur Beerdigung, alleingelassen.

Jasper-Winters Herzensangelegenheit ist die letzte Maßnahme: Mit ihrer Fraktion fordert sie für Berlins Friedhöfe die Einrichtung von Stelen oder Grabsteinen, „die für Eltern, die Fehlgeburten erfahren haben, einen Ort der Trauer darstellen können“.

Hoffnungen auf Unterstützung durch die rot-grün-rote Mehrheit darf die FDP-Abgeordnete sich nicht machen. Für die Koalition bezeichnete die SPD-Gleichstellungssprecherin Mirjam Golm Jasper-Winters Vorstoß als „Schnellschussantrag“, der unter anderem ungenau mit den Begrifflichkeiten Fehl- und Totgeburt umgehe. Man wolle sich dem Thema nicht entziehen, es im Detail aber „lieber im Ausschuss unter Einbeziehung von Experten beraten“.

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