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Berlin: Sechs Stockwerke für Scientology

Umstrittene Organisation eröffnet Zentrum nahe der TU an der Otto-Suhr-Allee. Charlottenburger Anwohner in Unruhe

Eltern haben Angst um ihre Kinder, täglich wenden sich besorgte Charlottenburger an die Sektenbeauftragte des Senats. Der Grund: Im November hat die umstrittene Scientology-Organisation an der Otto-Suhr-Allee Ecke Cauerstraße ein neues Gebäude bezogen. Heute in einer Woche sollen die sechs Stockwerke mit 4000 Quadratmetern in Anwesenheit von Scientology-Prominenz eingeweiht werden. Die Organisation rechnet mit 5000 bis 10 000 Gästen und hat bei der Polizei eine Straßensperrung beantragt.

Kenner der Szene schätzen, dass Scientology 150 bis 200 Mitglieder in Berlin hat. Bislang trafen sie sich in unscheinbaren Ladenlokalen, zuletzt am Mariendorfer Damm. „Es ist zu befürchten, dass nun in der neuen Berliner Repräsentanz Scientologen aus ganz Europa zusammengezogen werden“, sagt Ursula Caberta, die in der Innenverwaltung des Hamburger Senats die Arbeitsgruppe Scientology leitet, die einzige dieser Art in Deutschland. Dafür spricht auch, dass man auf der Seite des neuen Hauses landet, wenn man die deutsche Internetadresse wählt. Scientology bestreitet, dass die Deutschlandzentrale nach Berlin kommt. Man habe hier 1000 Mitglieder und wolle Berlin „vor allem im sozialen Bereich helfen, etwa im Kampf gegen Drogenmissbrauch und bei der Gewalt unter Jugendlichen“, sagt Sprecher Frank Busch. „Da brauchen wir größere Räumlichkeiten“.

Erst vor drei Monaten wurde in London ein neues Gebäude eröffnet, 2004 in Madrid, vor sechs Jahren in Brüssel. „Es gibt ein internationales Programm, um neue Kirchenräumlichkeiten in den Hauptstädten der Welt zu etablieren“, sagt Busch.

„Die Neueröffnungen sind Teil einer Kampagne, die zum Ziel hat , „Europa endgültig zu scientologisieren“, sagt Ursula Caberta. „Die wollen die Politik beeinflussen. Das muss man sehr ernst nehmen.“ Die Kampagne wurde vor zwei Jahren in der Mitgliederzeitschrift angekündigt. Dass nach Brüssel, Madrid, London nun Berlin dran ist, sei keine Überraschung. In Frankreich habe Scientology bereits Grundstücke gekauft. In einem Brief ans US-Außenministerium hatte Schauspieler Tom Cruise – bekennender Scientologe – 2003 angeregt, die US-Botschafter in Europa mögen doch mit ihm zusammenarbeiten im Kampf gegen „religiöse Intoleranz“, die er vor allem in Deutschland, Frankreich und Belgien sieht.

Das Gebäude in der Otto-Suhr-Allee hat eine Firma aus Kopenhagen von der DeGeWo gekauft, Scientology ist Mieter. Auch das verwundert Caberta nicht. „Die treten nie direkt als Käufer auf, auch in den anderen Städten waren es internationale Investorenbüros. Das Geld kommt aus den USA“. In Berlin werde es Scientology leicht gemacht, sagt Caberta, denn Berlin ist das einzige Bundesland, in dem die Organisation nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sieht weiter keinen Handlungsbedarf. „Das ist eine Sekte und hat nichts mit den originären Aufgaben des Verfassungsschutzes zu tun“. Seit November erreichen Reingard Stein, die Sektenbeauftragte des Senats, täglich ein bis zwei besorgte Anrufe oder Briefe aus Charlottenburg. Eltern haben Angst, dass ihre Kinder auf dem Schulweg beeinflusst werden könnten. Im Dezember habe es sogar eine Anzeige gegen Scientology gegeben, sagt Stein. Mitglieder der Gruppe hatten an der Haltestelle vor dem neuen Haus Fahrgäste derart mit Werbematerial bedrängt, dass ein Aussteigen kaum mehr möglich war, sagt Stein. Erst die Polizei schaffte Abhilfe.

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