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Berlin: Überlastung der Kripo: Ein Fall für Justizsenator Diepgen

Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen eine Kommissarin, die eine Ermittlungsakte wegen Arbeitsüberlastung fast zwei Jahre unbearbeitet ließ, beschäftigt nun auch den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen. In Justizkreisen hieß es, Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge sei gestern Morgen zu einem Gespräch "einbestellt" worden.

Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen eine Kommissarin, die eine Ermittlungsakte wegen Arbeitsüberlastung fast zwei Jahre unbearbeitet ließ, beschäftigt nun auch den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen. In Justizkreisen hieß es, Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge sei gestern Morgen zu einem Gespräch "einbestellt" worden. Neben Justizsenator Diepgen und seinem Staatssekretär Diethard Rauskolb sei auch ein Abteilungsleiter der Staatsanwaltschaft dabei gewesen. Justizsprecher Karsten Ziegler bestätigte das Treffen in der Justizverwaltung und verwies auf die Vertraulichkeit. Dem sicheren Vernehmen nach drehte sich die Unterredung jedoch um den Fall.

Verbummelte Ermittlungen, veraltete Technik, überforderte Beamte und Kriminelle, die unbehelligt bleiben, weil Polizisten vorgeschriebene Fristen nicht einhalten: Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen eine Kriminaloberkommissarin aus Mitte wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt - der Tagesspiegel berichtete - wirft ein Schlaglicht auf die angespannte Lage bei der Polizei. 22 Monate soll die leitende Kommissarin der für Betrugsdelikte zuständigen Abteilung 31 des Landeskriminalamtes (LKA) die Akte über einen Fall von Scheckbetrug nicht bearbeitet haben, obwohl Mitarbeiter über ihre Kollegin sagen: "Die rackert bis zum Umfallen."

Für Eberhard Schönberg, den Berliner Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, ist das kein Widerspruch. "Erhebliche Verzögerungen bei Ermittlungen" seien angesichts der angespannten Personalsituation bei der Polizei inzwischen gang und gäbe: "Alle Abteilungen sind völlig überlastet. Überall fehlen personelle Kapazitäten." In den vergangenen sieben Jahren seien 5000 Beamte eingespart worden. So hätten für die Verfolgung von 23 500 Straftaten im Bereich Scheck- und Kreditkartenbetrug nur 35 Ermittler zur Verfügung gestanden. In vielen Fällen auch bei schweren Straftaten, befürchtet der GdP-Vorsitzende, würde inzwischen gar nicht mehr ermittelt. "Im Bereich der organisierten Kriminalität wurde 1999 für die ermittelten Fälle eine Schadenssumme von 44 Millionen errechnet. Wir schätzen, dass sich der tatsächliche Schaden auf das Zehnfache beläuft. Aber die Beamten können es einfach nicht mehr ermitteln."

"Wir haben alle mit der angespannten Personalsituation zu kämpfen", sagt eine leitende Kriminalbeamtin. Dass dabei die Polizeiarbeit auf der Strecke bliebe, will sie allerdings "grundsätzlich" nicht sagen. "Das kommt immer auf den Einzelfall an."

In der LKA-Abteilung 31, die jetzt zum Ziel staatsanwaltlicher Ermittlungen wurde, arbeiten die Beamten in ständiger Notbesetzung: Von den 208 Planstellen sind nur 156,5 Stellen besetzt. Auch die technische Ausstattung lässt zu wünschen übrig: Für ihre Arbeit stehen gerade einmal 16 Computer bereit. Anträge auf weitere Rechner laufen seit 1993 - die Lieferungen der PCs stehen weiter aus.

Ähnlich angespannt ist die Personallage auch bei der Schutzpolizei. Nach Angaben der GdP sank etwa die Zahl der Beamten in den sechs Abschnitten der Polizeidirektion 5 seit April 1998 von 880 auf 761, ein Rückgang von 14 Prozent. Zusätzliche, durch Krankheit und Urlaub bedingte Ausfälle ließen die Zahl der eingesetzten Beamten in einigen Dienstgruppen auf unter 30 sinken. Nach den Vorgaben des "Berliner Modells", das den Beamten vor Ort zusätzliche Aufgaben überträgt, um den gehobenen Dienst zu entlasten, sollten arbeitsfähige Dienstgruppen jedoch 40 Beschäftigte haben.

Hart ins Gericht geht der GdP-Landesvorsitzende deshalb mit der Haushaltspolitik des Senats. In einem Brief an Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) beklagte sich Schönberg Anfang Januar über die Verwendung der zugesagten Bundesmittel für hauptstadtbedingte Zusatzaufgaben der Berliner Polizei. Von den 75 Millionen Mark, so der Vorwurf des Polzeigewerkschafters, würden "40 Millionen Mark für so genannte Vorleistungen Berlins gegenüber dem Bund betrachtet und dem normalen Haushalt zugeführt". Von den übrigen 35 Millionen Mark, die für Personal und Investitionen bei der Polizei vorgesehen sein sollten, seien weitere zehn Millionen als "Konsolidierungsleistungen für den Haushalt 2000" verplant, 8,1 Millionen Mark für Stellen, die sonst weggefallen wären, 8,5 Millionen für "geplante pauschale Minderausgaben" sowie eine Million Mark für die Feuerwehr. "An zusätzlichen Mitteln für die Berliner Polizei verbleiben lediglich 7,4 Millionen Mark, weniger als zehn Prozent des Bundeszuschusses", erklärt Schönberg: "Eindeutiger können die verantwortlichen Politiker nicht demonstrieren, was ihnen der Rechtsstaat wert ist."

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