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26 Menschen kommen bei der Videoinstallation zu Wort.

© Stefan Krauss/KRRO Film

Videoinstallation in Berlin: „Generation Mauerbau“ berichtet über Ängste, Chancen und Enttäuschungen

In der Gedenkstätte Hohenschönhausen gibt es eine neue Videoinstallation. 26 Menschen aus Ost und West, alle 1961 geboren, schildern darin, wie sie ihre jeweilige Heimat und die Wiedervereinigung erlebt haben.

Neue Farben mussten her, rot, blau, gelb, egal was, Hauptsache nicht mehr dieses militärische Erdbraun-Olivgrün-Gemisch. Als Symbol, dass jetzt eine neue Zeit angebrochen war. In der Kinderkrippe in Dresden hatten die Kleinsten jetzt bis dahin Armee-Lastwagen in Tarnfarbe als Spielzeugautos geschoben. Aber nun war die Mauer gefallen, und Regina Kögel, die Leiterin der Krippe, fragte sofort ihre Eltern: „Wer kann diese Fahrzeuge umlackieren?“ Eine Woche später glänzten sie in allen Farben des Regenbogens.

Die Wende bedeutete Chancen und löste zugleich Ängste aus

Gut 30 Jahre später sagt Regina Kögel, geboren 1961 in Dresden, dem Jahr des Mauerbaus: „Diese Zeit der Wende war ein immenser Aufbruch. Was wir auf der Arbeit auf einmal alles machen konnten.“ Jeder Satz ein Zeichen von Euphorie.

Aber Regina Kögel sagt auch: „Wir hatten Angst. Man dachte: Was wird aus meiner Familie? Können wir noch Kinder bekommen, können wir sie finanzieren?“ Jeder Satz ein Zeichen der Verunsicherung.

Zusammen genommen transportieren sie die Botschaft: Der Mauerfall, die Wende in der DDR, die Wiedervereinigung, sie waren für viele DDR-Bürger Glück, Freiheit, Chance, aber zugleich auch Chiffren für große Ängste, innere Brüche, tiefem Misstrauen gegenüber der Zukunft.

Die Videokünstler haben 26 Menschen aus Ost und West befragt

Die Künstler Ina Rommee und Stefan Krauss haben 26 Menschen aus West und Ost gefragt, wie die ihre geteilten Länder, wie sie Wiedervereinigung und das Leben in einem gemeinsamen Deutschland erlebt haben. Alle Männer und Frauen, die zu Wort kommen, wurden 1961 geboren.

In der Videoinstallation „Generation Mauerbau“ sind die Erfahrungen in Videosequenzen zusammengefasst. Am Donnerstag wurde das Projekt eröffnet, zu sehen ist es in der Gedenkstätte Hohenschönhausen, dem früheren zentralen Untersuchungsgefängnis des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit.

Eine spannende Tour durch die deutsche Zeitgeschichte

Eine spannende Tour durch die deutsche Zeitgeschichte. 26 Zeitzeugen, die dokumentieren, wie sehr Bundes- und DDR-Bürger in zwei vollkommen unterschiedlichen Welten lebten und wie anstrengend, aber auch faszinierend die langsame Verschmelzung dieser Welten war.

York Müller-Leutloff, aufgewachsen in einer Kleinstadt in Baden-Württemberg, besuchte 1969 mit seinen Eltern Verwandte in der DDR. Nahezu fassungslos registrierte er, dass die Gastgeber ihre Ehebetten für den Besuch aus dem Westen räumten. Dass dies eine Geste des Respekts war, wusste der Achtjährige nicht. Und genauso erstaunt stellte er fest, dass man in der DDR sogar beim Brötchenkauf in einer langen Warteschlange ausharren musste.

Frank-Uwe Hiller aus Görlitz hatte als Jugendlicher und junger Mann nie am System der DDR gezweifelt. Erst als er, Kandidat der SED, bei der Kommunalwahl 1989 als Wahlhelfer höchstpersönlich die Wahlfälschungen bemerkte, begannen seine Zweifel am Regime.

Die Tochter erlebt die menschlichen und sozialen Probleme der Eltern

Die Kindergärtnerin Regina Kögel zog nach dem Mauerfall in den Westen, ihre Eltern blieben in Zittau. Aber damit begann der schwierige geistige Spagat der Tochter. Sie baute sich im Westen eine sichere Existenz auf, aber sie sah zugleich, wie ihre Eltern in dieser neuen gesamtdeutschen Welt immer stärker verloren gingen.

Die Lebensleistung dieser Generation ist für null und nichtig erklärt worden. Das tut weh.

Regina Kögel, Kindergärtnerin, umgezogen in den Westen, über ihre Eltern, die nach der Wende in Zittau geblieben sind.

Betriebe wurden geschlossen, die Arbeitslosigkeit stieg, soziale Kontakte waren weg. „Die Lebensleistung dieser Generation ist für null und nichtig erklärt worden“, sagt sie. „Das tut weh.“ Seelische Schmerzen, die oft auch die nächste Generation gedanklich prägen.

Der Zuzug aus dem Westen mit wird kühler Distanz begrüßt

Geplatzte Erwartungen, auf beiden Seiten. Cornelia Böttner, in Freiburg aufgewachsen, zog nach dem Mauerfall aus beruflichen Gründen nach Bautzen. Sie war auf menschlich herzlichen Empfang vorbereitet, die Menschen im Westen hatten sich doch auch über die Wiedervereinigung gefreut. Auf die kühle Ablehnung, die ihr von den misstrauischen Bürgern entgegen prallte, war sie nicht vorbereitet.

Von dieser Mixtur aus Emotionen wird das Video-Projekt wunderbar getragen. Die Protagonisten kommen nacheinander zu Wort, unaufgeregt, einfühlsam, eindringlich. Und manchmal sogar sehr emotional.

Als York Müller-Leutholff mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall von dieser Nacht erzählt, da bricht leicht seine Stimme für einen Moment, und Tränen füllen seine Augen.

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