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Das Bild zeigt blühende Krokusse.

© IMAGO/Andreas Franke/Bearbeitung Tagesspiegel

Alle schlecht gelaunt: Hellt der März die Stimmung auf?

Schlechte Nachrichten sind allgegenwärtig, das Gefühl der dauerhaften Krise drückt gesamtgesellschaftlich auf die Laune. Wie ließe sich zu mehr Optimismus finden?

Kriege, Klimakrise und diffuse Zukunftsängste – es ist schwer, gegenwärtig optimistisch zu sein. Doch trotz aller negativen Stimmungen treibt die Natur die Frühlingsgefühle voran. Die Tage werden heller, morgens zwitschern die Vögel um die Wette, allerorten stecken Krokusse und andere Frühblüher ihre Köpfe aus der Erde. Zeigt sich die Sonne, sitzen die ersten schon vor den Cafés und halten die Köpfe in die wärmenden Strahlen.

Drei Expert:innen beantworten die Frage, ob der Frühlingsmonat März die von der dunklen Jahreszeit verschattete Laune bessern kann. Alle weiteren Folgen unserer Serie „3 auf 1“ finden Sie hier.


Im März erwacht die Natur, und draußen wird es heller. Das ist gut für unseren Hormonhaushalt und lässt uns wieder zuversichtlicher auf die Welt schauen. Pessimisten mögen einwenden, Klimakrise, Krieg und Terror scherten sich nicht um den Frühling, das Grauen wirke unbeirrt fort. Optimistische Menschen glauben an eine Wende zum Positiven, sofern wir uns nur beharrlich genug für das Gute einsetzten.

Weder das Beschwören der Apokalypse noch blinder Positivismus führen jedoch weiter. Wir sollten uns zwei Dinge klarmachen: 1. Das, was vor uns liegt – die Zukunft – ist grundsätzlich gestaltbar. So ist es beispielsweise unsere Entscheidung, ob wir eine rechtsextreme Partei wählen oder für die Demokratie auf die Straße gehen. 2. Die Zukunft hält immer auch Überraschungen für uns bereit.

Wer hätte es etwa für möglich gehalten, dass nach 28 Jahren deutscher Teilung die Mauer fallen würde, noch dazu gewaltlos? Der Holocaust-Überlebende Viktor Frankl rief zum „tragischen Optimismus“ auf. Sinngemäß: Was man im Moment nicht ändern kann, muss man akzeptieren. Optimismus heißt, zu optimieren, was in unserer Macht steht. Und nie sollten wir dabei die Hoffnung und die Suche nach dem Sinn aufgeben.


Wir leben in einer Stimmungsgesellschaft, in der wir einen gewissen Angst-Genuss kultiviert haben. Ohne uns ständig zu fürchten, fühlen wir uns nicht wohl, denn das hieße ja, dass wir für konstruktive Veränderung eintreten müssten.

Mehr Wut, Angst und Traurigkeit

Diese Epidemie der maßlosen Unzufriedenheit spiegelt sich schon viele Jahre in den Medien wider. US-Forscher, die zwischen 2000 und 2019 etwa 23 Millionen Schlagzeilen analysierten, stellten fest, dass der Anteil, der Wut, Angst, Ekel und Traurigkeit ausdrückt, stetig gestiegen ist – insbesondere Wut.

Der Meinungsbereich fast aller Nachrichtenkanäle ähnelt einer Empörungs-Konferenz, bei der ein Leitartikel nach dem anderen einem sagt, dass etwas schrecklich ist und man sich unbedingt darüber aufregen muss. Mit dem Spiel der gegenseitigen De-Moralisierung und Bezichtigung beschäftigen sich viele Menschen heute rund um die Uhr. 

Sich über die Welt beschweren ist wie der Raureif im Herbst, der, wenn er fällt, alle Arbeiten des Gärtners zunichte macht.

Archimandrit Seraphim Aleksiev, bulgarischer Theologe

Trotzdem wird im Monat März die Stimmung besser. Wenn die Luft lau wird, die Vögel irre, wenn das Grün und die ersten Blumen sprießen, dann kann man dieses Reiz-Reaktions-Muster nicht mehr so einfach durchziehen. Wer einen Garten hat, oder auch nur einen wachstumsbereiten Balkon, der hat jetzt etwas Konkretes zu tun: Der Natur beim Wachsen helfen.

„Sich über die Welt beschweren ist wie der Raureif im Herbst, der, wenn er fällt, alle Arbeiten des Gärtners zunichte macht“, formulierte der bulgarische Theologe Archimandrit Seraphim Aleksiev im 20. Jahrhundert; es „verdorrt alle Tugenden der Seele und macht die Früchte des Leidens bitter und nutzlos.“ Jeder Trend hat einen Gegentrend, auch die Angst-Verzagung und das typisch deutsche Superjammern. Zuversicht kommt über die Sinne. 


Die Gesellschaft befindet sich derzeit in einer Art Endzeitstimmung, die durch die Winterbetrübnis verstärkt wird. Die vielen Dauerkrisen – Krieg, Klima, Corona, Migration – haben eine Art Zombie-Qualität. Sie sind nicht totzukriegen. Ihre Unwandelbarkeit erzeugt zermürbende Ohnmachtsgefühle.

Durch die Verdrängung der Krisen und den Rückzug ins private Schneckenhaus versuchen viele ihre Stimmung zu verbessern: Maximierung der Zuversicht durch Minimierung des Gesichtskreises. Die neue Selbstbezüglichkeit, die Pflege der eigenen Wohlfühloasen und sozialen Bollwerke schafft kurzfristig ein Gefühl von Überschaubarkeit und Handlungsfähigkeit.

Passive Haltung gegenüber der Welt da draußen

Der Preis ist jedoch eine passive Haltung in Bezug auf die Welt da draußen. Zuversicht, die nur um sich selbst kreist, erzeugt letztlich eine fatale Resignation und dumpfe Erlösungserwartung.

Optimismus braucht den Glauben an die Wandelbarkeit der Verhältnisse. Er wird genährt durch selbstgesteckte sinnvolle Ziele, die die brachliegende Bewegungsenergie kanalisieren und gemeinsame Aktivitäten ermöglichen.

Etwas Besseres als den Tod finden wir allemal heißt es im Märchen. Wo das Bessere liegt, das uns herausfordert und uns als Einzelne und als Gesellschaft wachsen lässt, darf jeder selbst entscheiden.

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