Glaskunst: Trinkkultur für jeden Tag
Aus schönen Gläsern, deren Farben sich im Licht brechen, schmeckt Wasser gleich noch mal so gut. Wie Gläser mundgeblasen werden, kann man sich in der Glashütte Baruth anschauen.
Wie oft am Tag nehmen wir ein Glas in die Hand, um einen Schluck Wasser zu trinken? Eigentlich viel zu oft, um den Gegenstand eingeschweißt im Achter-Pack in einem schwedischen Möbelhaus zu kaufen. In Baruth kann man dabei zu sehen, wie Gläser für den täglichen Gebrauch hergestellt werden, die so gar nichts mit industrieller Massenware zu tun haben. Zwischen Spreewald und Fläming steht die letzte Glashütte in Brandenburg.
Der Raum wird dominiert von einem großen runden gemauerten Ofen in der Mitte des hohen Raums, der mit seinen verrußten Holzbalken eher an einen alten Lokschuppen erinnert. Der Ofen steht auf einem Podest. Aber die Wärme kommt nicht aus der Mitte des Raumes, sondern von einer der Stirnseiten. Dort steht ein kleiner, mit flüssigem Glas gefüllter Ofen, neben einem, der von innen orange glüht, Trommel genannt.
Davor steht Olaf Gonzalez-Valero . Er dreht einen kleinen Glasklumpen an einem langen Stab in der Hitze, dann er bläst in die rot glühende Masse, die jetzt mehr als 1500 Grad heiß ist und formt eine Handballen große Kugel, die umhüllt er mit noch mehr Glas aus dem Ofen.
Die Designerin Karina Wendt muss das schon sehr oft gesehen haben. Trotzdem schaut sie genau hin, wie aus der Kugel ein Trinkglas entsteht, erklärt jeden Schritt. Vor allem, als Olaf Gonzalez-Valero den Rand des Glases erst mit einer Schere schneidet und dann noch mal erhitzt, sodass es der Rand später weich und glatt am Mund zu spüren ist.
Als das Glas in einen weiteren Ofen kommt, damit es über Nacht abkühlen kann, ist immer noch 700 Grad heiß. Ganz langsam muss es abkühlen, damit es nicht zerspringt.
Was der Glasmacher Gonzalez-Valero hier macht, kann sich jeder anschauen, der das Museumsdorf Baruth besucht, das um die alte Glashütte aufgebaut ist. Die gab es seit 1716. Zuletzt stellten zu DDR-Zeiten bis zu 50 Glasmacher Gebrauchsglas wie Gärkolben und Milchglas für Lampenschirme her. 1980 wurde die Anlage stillgelegt, selbst für DDR-Verhältnisse war sie zu unrentabel, der Ofen war aus – für immer.
Heute ist Baruth aber nicht nur ein pittoreskes Industriedenkmal mit vielen Fachwerkhäusern, in denen es Ausstellungen gibt, man selbst Körbe flechten, Mosaik legen und natürlich auch Glas herstellen kann (Infos unter museumsdorf-glashuette.de), sondern eine Produktionsstätte für Designer und Künstlerinnen, die hier ihre Entwürfe herstellen.
Wie Karina Wendt, sie arbeitet mit Glasmachern wie Torsten Rötzsch und Cornelius Réer, die auch selbst Glasobjekte herstellen. Die Designerin wohnt nur drei Dörfer entfernt und verkauft hier ihre Gläser, Karaffen, Dosen und Vasen im Laden ihrer Mutter. Es ist eine Besonderheit, dass sie nicht hier wohnt. Denn eigentlich ist das Bedingung: Wer hier lebt, muss auch hier arbeiten, und zwar etwas, was dem Museumsdorf Baruth zugutekommt.
Steht man im sonnenbeschienenen Laden, umgeben von großen und kleinen Gefäßen in Rot, Violett, Gelb und Blau, kann man sich der Brillanz der Farben kaum entziehen, wenn das Licht hindurchfällt. Die Trinkgläser von Karina Wendt liegen gut in der Hand und schimmern bunt. Den Unterschied zum industriell hergestellten Glas kann man fühlen, die Oberfläche ist glatter und auch der Rand ist weicher.
Dadurch, dass das Glas sehr langsam abkühlt, kann man es in der Spülmaschine reinigen, ohne dass es anläuft und matt wird.
Am wichtigsten ist Karina Wendt, dass man ihre Gläser ganz normal benutzt: „Wir geben viel Geld für Autos und Mode aus – aber ein Wasserglas darf kaum mehr als einen Euro kosten. Wir haben die Kenntnis darüber verloren, was Handwerk wert ist.“ Die kann man in Baruth mit Leichtigkeit wiedererlangen.
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