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Panorama: Köln zwischen Spaß und Nachdenklichkeit

„Herrlich, was ist das schön", ruft der Clown mit der roten Pappnase und springt vom Stuhl auf. Als Kabarettist und Karnevalstar Bernd Stelter seinen bekannten Song über die Brustbehaarung anstimmt, gibt es für ihn und die anderen Narren kein Halten mehr: „Ich hab drei Haare auf der Brust, ich bin ein Bär", gröhlen die 1300 Jecken im ausverkauften Kölner Gürzenich gemeinsam mit dem „Werbefachmann".

„Herrlich, was ist das schön", ruft der Clown mit der roten Pappnase und springt vom Stuhl auf. Als Kabarettist und Karnevalstar Bernd Stelter seinen bekannten Song über die Brustbehaarung anstimmt, gibt es für ihn und die anderen Narren kein Halten mehr: „Ich hab drei Haare auf der Brust, ich bin ein Bär", gröhlen die 1300 Jecken im ausverkauften Kölner Gürzenich gemeinsam mit dem „Werbefachmann". Und dazu wird geschunkelt, getanzt und geknutscht.

Am Dienstagabend war es wie eh und je auf der Gala-Sitzung der „Kölner Funken Artillerie Blau-Weiß", einer der traditionsbewussten Karnevalsgesellschaften der Domstadt: Auf der Bühne kölsche Lieder und Kalauer, vor der Bühne ausgelassene Menschen und Kölsch-Fässer auf den Tischen. Von Nachdenklichkeit über die angespannte weltpolitische Lage, von Besorgnis über einen bevorstehenden Krieg im Irak keine Spur. „Ich möchte heute einfach mal feiern und alle Sorgen vergessen", meint ein älterer Herr im Zaubererkostüm – und seine Tischnachbarn pflichten ihm bei, heftig mit dem Kopf nickend.

In den Karnevalshochburgen Köln, Düsseldorf und Mainz ist die heiße Phase des Karnevals in vollem Gange – auch wenn bis zum Rosenmontag am 3. März noch viel Zeit ist. Jeden Abend finden Karnevalssitzungen statt, jeder Verein, jede Organisationseinheit trifft sich, feiert, lacht, trinkt, redet, tanzt. Musikgruppen ziehen jeden Abend von Veranstaltung zu Veranstaltung, wo sie jeweils einen etwa halbstündigen Auftritt absolvieren.

Antikriegslieder für die Jecken

Doch Gedankenlosigkiet anlässlich des drohenden Irakkriegs herrscht nicht überall hier in Köln während der „fünften Jahreszeit". Zwar hat Festkomitee-Präsident Hans Horst Engels die offizielle Parole ausgegeben, alles so weiterlaufen zu lassen wie bisher. Das heißt: Keine Programmänderungen, keine Absagen von Veranstaltungen. Wie das offizielle „Kölner Dreigestirn“ unterstützt aber auch Engels die Zwischentöne, die sich inzwischen auch auf manch traditioneller Sitzung finden. So zieht die bekannte Musikgruppe „Höhner" seit kurzem mit dem Anti-Kriegs-Lied von Pete Seeger, „Sag mir, wo die Blumen sind", durch die Säle - mit großem Erfolg. Und die Musiker von „Kleeblatt", einer noch jungen Kölner Band, treten mit eigens angefertigten T-Shirts auf.

„KKK – Karneval kontra Krieg", ist darauf zu lesen. Bandchef Enzo Piperis meint: „Wir dachten uns: Wo passt solch ein Protest besser hin als in den Karneval?"

Ohnehin: Im alternativen Karneval wird das Thema „Krieg“ schon seit Beginn der Session groß geschrieben. So reißt Kabarettist Didi Jünemann auf den Kölner Stunksitzungen die Zuschauer Abend für Abend mit seiner Parodie einer „Überzeugungsrede an die Deutschen“ von US-Präsident George W. Bush zu Begeisterungsstürmen hin.

Und die „Rosa Funken", die erste schwule Karnevalsgesellschaft Kölns, verliest auf ihren Auftritten einen „Liebesbrief“ vom „Busch-Krieger aus Texas". Der will ausgerechnet die Funken in ihren rosa Lackkostümen für einen Krieg in der Wüste gewinnen. Als Antwort degradieren die Funken zwei Generäle, indem sie sie sämtlicher Orden berauben.

Ganz so derb geht es im offiziellen Karnevalstreiben nicht zur Sache. Doch im Prinzip unterstützen auch die Traditionalisten kritische Töne.

Franz Wolf, Präsident des Bunds Deutscher Karneval und gleichsam Vizepräsident des Kölner Festkomitees, hält die närrischen Aktivitäten gar für „die größte Friedensdemo, die es gibt.“ Schon deshalb sei die Absage des Rosenmontagszugs wegen des Golfkriegs im Jahr 1991 ein großer Fehler gewesen.

„Moralisch hat das gar nichts gebracht", meint Wolf, „wir haben alles abgeblasen und die USA haben groß gefeiert.“ Doch auch aus finanziellen Gründen wolle man in diesem Jahr weniger aktionistisch handeln – stellt der Karneval für das gesamte Rheinland doch längst eine feste wirtschaftliche Größe dar.

Ein plötzliches Aus könnte da manch Gastronomen in arge Bedrängnis bringen. Kritikern, die meinen, man dürfe nicht schunkeln, während andere im Schützengraben liegen, hält Wolf mit Blick auf die zahlreichen weiteren Kriegsherde auf der Welt entgegen: „Das ist dummes Zeug. Dann dürfte niemand mehr irgendwann, irgendwo feiern."

Nachdenkliche Töne ja, eine Absage etwa des Rosenmontagsumzugs aber nein – nach diesem Motto verfahren auch die Karnevalisten im benachbarten Düsseldorf.

„Was hat unser Karneval mit dem Krieg zu tun", fragt Jürgen Rieck, der Geschäftsführer des Comitees Düsseldorfer Carneval. „Wir sind dagegen, natürlich, lassen uns das Feiern aber dadurch nicht nehmen.“ In der Düsseldorfer Region, in der im Vergleich zu Köln beim Karneval traditionell eher lautere Töne angeschlagen werden, findet sich das Thema bislang auch auf kaum einer Sitzung wieder. Allerdings plant das Comitee, sofort einen Krisenstab einzuberufen, falls der Krieg tatsächlich vor den „tollen Tagen“ Anfang März begönne. In diesem Fall, sagt Rieck, werde das Thema auch noch in den Rosenmontagszug eingebunden.

Letzteres ist in Köln wiederum nicht geplant. So vertritt Zugleiter Alexander von Chiari bisher die Meinung, dass die Leute schon genug schlechte Nachrichten hörten. Deshalb gehöre der Krieg nicht in den Zug. Kabarettist Jünemann findet das sehr schade. Auch er ist nicht für eine Absage des jecken Treibens, falls es einen Krieg gibt. „Der Kölner lässt sich das Feiern sowieso nicht verbieten. Doch sollte man auch im Karneval darauf achten, dass und wie man zu einem Krieg Stellung bezieht."

Die Frage ist, wie die Stimmung sich verändert, sollten die USA den Irak unmittelbar vor dem Rosenmontag angreifen.

Holger Müller-Hillebrand[Köln]

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