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Feiernde Menschen bei der Europride-Parade in Belgrad.

© REUTERS/ZORANA JEVTIC

Update

„Es ist sehr verstörend“: Attacken auf Teilnehmende bei Europride-Parade in Belgrad

An die tausend Menschen demonstrierten am Samstag für die LGBTIQ-Community. Aktivisten mussten ins Krankenhaus, auch eine Tagesspiegel-Redakteurin wurde angegriffen.

| Update:

Unter dem Missfallen von Regierung und Behörden ist am Samstag in Belgrad die Europride-Parade gefeiert worden. An die 1000 Teilnehmende demonstrierten bei teils strömendem Regen für die Rechte der LGBTIQ*-Community.

Die Polizei schuf für die Parade einen abgesicherten Korridor entlang der Marschroute. Rechtsextreme und ultra-klerikale Gegendemonstrierende, die in der Unterzahl waren, hielt sie auf diese Weise auf Distanz. 

Übergriffe auf Demonstrierende nach der Parade

Nach der Parade kam es zu Übergriffen auf Teilnehmende. So wurde eine Gruppe von Aktivist*innen aus Albanien von Rechtsextremen überfallen. Zwei aus der Gruppe mussten mit ihren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Auch Tagesspiegel-Redakteurin Nadine Lange wurde auf dem Rückweg von der Demonstration mit einer Freundin niedergeschlagen. „Wir hatten Glück, wir haben nur kleinere Verletzungen - aber es ist sehr verstörend“, sagte Lange am Sonntagmorgen. „Wir können wieder wegfahren, aber die Leute in Belgrad können das nicht. Das ist sehr traurig.“

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Sie sei sich der Gefährlichkeit der Situation sehr bewusst gewesen, berichtete Lange. Sie und ihre Freundin hätten extra keinen queere Regenbogensymbole getragen. Die Polizei habe sie auf dem Rückweg aber in eine dunkle, ungeschützte Seitenstraße geleitet, wo sie überfallen wurden.

Lange war privat auf der Europride-Parade, am Vortag hatte sie bei einer Lesung ihren Roman „Ein Eis für Jo“ im Goethe-Institut in Belgrad vorgestellt.

Eindruck von der Europride-Demonstration in Belgrad.

© Nadine Lange/Tagesspiegel

Sven Lehmann (Grüne), der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, verurteilte die Attacken auf Demonstrierende. Er forderte am Sonntag, „die gewalttätigen Übergriffen nach dem Pride March müssen ebenso aufgeklärt werden wie mögliches Fehlverhalten von Polizeikräften“. Lehmann hatte ebenfalls an der Demonstration teilgenommen.

Insgesamt zeigte sich Lehmann „zutiefst beeindruckt von dem Mut und der Entschlossenheit der serbischen Aktivist*innen, die bis zuletzt um diesen öffentlichen Pride March verhandeln mussten“. Die serbische Community habe sich weder von den nationalistischen und christlich-orthodoxen Protesten noch dem Schlingerkurs der serbischen Regierung einschüchtern lassen.

Dass die serbische Regierung bis zuletzt gezögert hat, ein klares Bekenntnis für das Recht auf Versammlungsfreiheit abzugeben zeigt, dass Serbien an einem Scheideweg steht.

Sven Lehmann, Queer-Beauftragter der Bundesregierung

„Dass die serbische Regierung bis zuletzt gezögert hat, ein klares Bekenntnis für den Schutz und das Recht auf Versammlungsfreiheit abzugeben zeigt, dass Serbien an einem Scheideweg steht“, erklärte Lehmann: „So umkämpft wie in diesem Jahr war ein Pride March in Belgrad schon lange nicht mehr.“

Ursprünglich hätte die Regenbogen-Parade durch die halbe Innenstadt ziehen sollen. Doch das Innenministerium wich von der Praxis der vergangenen Jahre ab und untersagte die Veranstaltung. Das serbische Verwaltungsgericht wies am Samstag eine Beschwerde der Veranstalter gegen den Innenministeriums-Bescheid ab.

Die Staatsanwaltschaft hatte den Teilnehmenden im Vorfeld mit einer potenziell „illegalen Demonstration“ mit drakonischen Geldstrafen gedroht. Die Veranstalter verständigten indes das Innenministerium über eine deutlich verkürzte Streckenführung. Die Behörde reagierte bis zum Beginn der Parade nicht darauf.

Goran Miletic, Organisator der Pride-Veranstaltung in Belgrad.

© Foto: Darko Vojinovic/AP/dpa / Darko Vojinovic

Rechter Präsident sucht Nähe zur orthodoxen Kirche

Pride-Paraden fanden in Belgrad seit 2014 ohne Zwischenfälle statt. In diesem Jahr hatte Belgrad als erste Stadt in Südosteuropa die Austragung einer Europride zuerkannt bekommen. Mehrere Europaabgeordnete sowie europäische Politikerinnen und Politiker nahmen daran teil.

Serbiens Präsident Aleksandar Vucic hatte Ende August die Absage oder Verschiebung der Pride in Aussicht gestellt. Der rechte Nationalist orientiert sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine stärker an Russland als zuvor.

In diesem Sinne sucht er auch die Nähe zur ultra-konservativen und pro-russischen serbisch-orthodoxen Kirche. Rechtsextreme und klerikale Kreise veranstalteten in den letzten Wochen in Belgrad sogenannte Prozessionen gegen die Pride.

Die englische Abkürzung LGBTIQ* steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans Menschen, queere sowie intergeschlechtliche Menschen. Das Sternchen ist Platzhalter für weitere Identitäten und Geschlechter. (mit dpa)

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