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Gesundheit: Bühnenshows mit Tänzerinnen und Nebel

Das Lieblingskind der Rucksack-Touristen hat gewaltig an Ausstrahlungskraft verloren: InterRail-Urlaub erscheint 16- bis 20jährigen heute kaum mehr als interessante Möglichkeit, Europa auf eigene Faust zu entdecken.Das Ticket gilt als unmodern und teuer.

Das Lieblingskind der Rucksack-Touristen hat gewaltig an Ausstrahlungskraft verloren: InterRail-Urlaub erscheint 16- bis 20jährigen heute kaum mehr als interessante Möglichkeit, Europa auf eigene Faust zu entdecken.Das Ticket gilt als unmodern und teuer.Viele Jugendliche scheuen sich vor den Strapazen der langen Bahnfahrt."Wir wollen InterRail wieder in ihrer Erlebniswelt verankern", sagt Christian Matiack.

Mit drei Kommilitonen entwarf Matiack ein neues Werbekonzept.Zwei Hip-Hop-Bands sollen einen Monat lang durch Europa touren.Die Fans folgen ihnen von Konzert zu Konzert.Durch Plakate in Szenetreffs, Anzeigen und frisch aufgemöbelte Internet- Seiten werden sie auf das Ereignis aufmerksam gemacht."Wir wollen mit dem herkömmlichen Bahn-Design brechen", erklärt Dominic Saxl."Es wirkt zu verstaubt." Nur noch ganz klein taucht das DB-Logo im Entwurf der HdK-Studierenden in einer Ecke auf.Statt dessen prägen große Band-Fotos und auffällige Schriftzüge das Layout.Ob und wann diese Ideen umgesetzt werden, steht noch nicht fest.

Dieses Projekt gehört zu den Anforderungen, die Studenten der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation erfüllen müssen.Der Diplomstudiengang an der Hochschule der Künste bereitet Werbe- oder PR-Fachleute auf ihre Karriere vor.Zweimal jährlich stellen die Kommilitonen ihre eigenständig entworfenen Kampagnen öffentlich vor.Da tüfteln welche an einem Kommunikationskonzept für die Berliner Verkehrsbetriebe oder für den Sender TV Berlin, basteln andere an Reklame für Schokoriegel.Die phantasievollen Entwürfe sind Renommierobjekte der HdK.Doch sie werden von Mal zu Mal aufwendiger und teurer.Zwischen 3000 und 15 000 Mark sollen die Projekte inzwischen kosten.Oft bekommen die Studenten nur einen Teil ihrer Ausgaben von den Auftraggebern ersetzt.Sponsoren müssen sie meist auf eigene Faust suchen - oder zum Beispiel in Druckereien um einen Preisnachlaß feilschen.Kampagnen zu reinen Phantasie-Produkten, wie sie noch vor fünf Jahren gang und gäbe waren, kommen aus der Mode.

Die gewaltige Leistungsspirale dreht sich ins Ungewisse."Wenn du bei der Präsentation mit zwei Overhead-Projektoren ankommst, lachen sie dich aus", klagt eine Studentin.Um mit ihren Kommilitonen mithalten zu können, hat sie gerade ein ganzes Jahr in die Vorbereitung investiert.Ihren Nebenjob mußte sie währenddessen aufgeben - natürlich ohne Verdienstausfall.Teilweise stecken die Studenten Tausende von Mark in Fotomaterial und Software.Sie inszenieren ambitionierte Bühnenshows mit Nebel, Dias, Videos und Tänzerinnen.Mitunter "kaschieren sie inhaltliche Schwächen mit einem guten Sound", sagt Oliver Oest, der im letzten Frühjahr an einer Kampagne für eine Computerfirma beteiligt war.

Die Ergebnisse der Projekte bestimmen ein Sechstel der Diplomnote.Doch in der Aula am Einsteinufer, wo jede Gruppe ihre Kampagne 45 Minuten lang vorstellt, sitzen nicht nur die Prüfer, sondern auch Kommilitonen, Journalisten, Talentsucher von Werbeagenturen und Vertreter der Firmen, in deren Auftrag die Ideen entwickelt wurden.Die Angst, zu versagen, und die Hoffnung, Kontakte zu potentiellen Brötchengebern zu finden, treibt die Studenten an.An der Hochschule wird diese Entwicklung durchaus kritisch gesehen."Da ist ein olympischer Gedanke mit dabei: schneller, höher, weiter", sagt Wolfgang Krebs.Der Professor glaubt aber, daß es die Studenten "selbst so wollen: Wenn es so teuer ist, liegt das keinesfalls im Interesse des Fachs."

Doch manche Kommilitonen berichten, daß sie sich gerade durch die Ansprüche ihrer Dozenten unter Druck gesetzt fühlen.Andere sind mit der Situation durchaus zufrieden, da sie die Sponsoren-Suche als kreativ und praxisnah empfinden.Keine Frage: Bei der Arbeit am Projekt erwerben sie Fähigkeiten, die ihnen ein Theorie-Seminar kaum vermitteln könnte.

Und was bei den Projekten herauskommt, kann sich meistens sehen lassen - zum Beispiel die Kampagne für die Berliner WeiberWirtschaft.Nach umfangreichen Recherchen stellten die fünf Studenten fest, daß das Gründerinnenzentrum "bisher keine eigene Unternehmensidentität entwickelt hat", wie Christiane Rock erzählt: Die Genossenschaftsmitglieder kennen sich zu wenig und könnten mehr voneinander profitieren.Schließlich erwarten sie von der WeiberWirtschaft nicht nur materiellen, sondern vor allem ideellen Nutzen.Die Studenten schlagen vor, daß sich Interessentinnen künftig zu "Erfolgsbörsen" treffen, um sich über ihre Geschäftsideen auszutauschen.Bei Messen sollen die Gründerinnen ihr Handwerk öffentlich vorstellen.Mit Plakaten wollen die Studenten die WeiberWirtschaft bekannter machen."Am liebsten würden unsere Auftraggeberinnen die Kampagne sofort umsetzen", sagt Christina Zech.

Ein Werbefilm für die "Süddeutsche Zeitung", den eine andere Gruppe im November vorstellte, ist gerade in den Kinos zu sehen.

Die HdK-Projekte werden in der Aula am Einsteinufer 43 - 53 öffentlich vorgestellt.Donnerstag ab 10 Uhr: TV Berlin, 11 Uhr 30: WeiberWirtschaft, 13 Uhr: ein Kommunikationskonzept für die Zeitschrift "Allegra".Morgen ab 10 Uhr: Kampagne für eine Sport- und Wellnessanlage, 11 Uhr 30: Kampagne für den Musiksender VH-1, 13 Uhr: Kampagne für den Pop-Act "Elektrostar", 18 Uhr: Verleihung eines Preises der Berliner Agentur Dorland für die beste Präsentation.

JOSEFINE JANERT

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