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Dr. Magnus Heier

© Stefan Braun

Im weißen Kittel: Hygiene schlägt Statussymbol

Das schneeweiße Kleidungsstück schafft Vertrauen. Aber es ist ein Auslaufmodell. Und das ist gut so, vor allem, um die Verbreitung von Klinikkeimen zu vermeiden.

Eine Kolumne von Dr. Magnus Heier

Er ist die Uniform der Ärzte. Er zeigt, wer in der Hierarchie ganz oben steht und wer ganz unten. Er ist schneeweiß. Er schafft Vertrauen: der Arztkittel. Dabei ist Kittel nicht gleich Kittel. Es gibt ihn mit Stehkragen, mit Rückenriegel, mit Schlitz – oder ohne. Selbst die Farbe der Knöpfe ist kein Zufall. Silber durften lange nur Chefärzte tragen. Der Arztkittel gibt Orientierung!

Trotzdem stirbt er aus! In den Asklepios-Kliniken haben sie ihn vor Jahren einfach abgeschafft. Und durch den „Kasack“ ersetzt: ein T-Shirt mit kurzem Ärmel, mit Taschen und ohne Falten. Aus hygienischen Gründen! Es habe Widerstand der Ärzte gegeben, heißt es. Vor allem von älteren Männern. Aber jetzt ist der Kittel weg. Und bis auf gelegentliche Verwechslungen (vor allem Ärztinnen werden für Schwestern gehalten) gab es keine größere Unruhe.

Mit langen Ärmeln und vielen Kittelfalten sind Krankenhauskeime kaum zu verhindern.

Andere Kliniken haben das schneeweiße Kleidungsstück ebenso eingemottet. Damit wird auch die medizinische Hierarchie unsichtbar. Bisher waren Ärzte (und Ärztinnen) von Schwestern (und Pflegern) eindeutig und intuitiv zu unterscheiden – jetzt verschwimmt die Hackordnung. Bei Asklepios sind es nur noch farbige Streifen und ein Kragen, die den Unterschied machen. In vielen Arztpraxen fehlt selbst das.

Für die Hygiene ist das gut: Denn mit langen Ärmeln und vielen Kittelfalten sind Krankenhauskeime kaum zu verhindern. Vor allem die Ärmel wischen über Wunden und Verbände und verteilen Keime von Patient zu Patient – dagegen schützt auch das regelmäßige Desinfizieren der Hände nicht. Bleibt der Placeboeffekt: Ein gestärkter weißer Arztkittel schafft Vertrauen und fördert die Heilung. Ein Arzt im Kasack wird sich mehr bemühen müssen. Gut so!

Eine kurze, nicht repräsentative Blitzumfrage hat ergeben: In vielen Kliniken und den meisten Arztpraxen stirbt der Arztkittel aus (meiner hängt sichtbar an der Wand). Er wird nur zu repräsentativen Anlässen heruntergeholt: zu Vorträgen, für Fotos – und zum Schreiben dieser Kolumne.

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