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Dr. Magnus Heier

© Stefan Braun

Im weißen Kittel: Vom Küssen und Beißen – wenn Speichel zur Gefahr wird

Warum man mit einer frischen Bissverletzung am besten schnell zum Arzt sollte, Küssen aber Gott sei Dank ungefährlich ist.

Eine Kolumne von Dr. Magnus Heier

Bei Bissverletzungen denkt man zumeist an Hunde- (häufig) und Katzen- (seltener), aber nicht an Menschenbisse (häufiger als gedacht!). Zuverlässige Statistiken gibt es nicht, eine Meldepflicht auch nicht. Aber es gibt ein Problem: Bisswunden infizieren sich! So häufig, dass das „Opfer“ auf jeden Fall einen Arzt suchen sollte! Der Grund besteht einfach in der riesigen Zahl von Erregern im Mund, vor allem von Bakterien, von mehreren Hundert Arten. Viele von denen sind so genannte Anaerobier – Bakterien, die unter Luftabschluss überleben, an der Luft aber absterben. In der Mundhöhle überleben diese Keime vor allem in den Zahnfleischtaschen und in den Papillen der Zunge.

Anders als beim Kuss (durch den nur wenig Speichel ausgetauscht wird) reißen die Zähne beim Beißen oft tiefe Taschen ins Gewebe des Gebissenen. Taschen, in denen sich die Keime unter Luftabschluss vermehren. Auf der Oberfläche wären sie einfach abgestorben. In den Gewebetaschen kann es aber zu Infektionen, mit viel Pech auch zu einer „Blutvergiftung“ kommen. Deshalb werden tiefe Wunden beim Hausarzt oder in der Klinik gereinigt, chirurgisch versorgt, der Impfstatus wird überprüft (es geht vor allem um den Tetanusschutz) und möglicherweise ein Antibiotikum gegeben. Damit ist das Risiko praktisch ausgeräumt.

Ob Hunde- oder Menschenbisse gefährlicher sind, ist umstritten. Angeblich kommt es bei Menschenbissen häufiger zu Infektionen. Trotzdem wird vor allem bei Menschenbissen (oft beim Sex, seltener zur Selbstverteidigung, etwa bei Kindern) vermutlich häufig auf einen Arztbesuch verzichtet – was riskant ist. Denn schon die Verzögerung einer Behandlung kann gefährlich sein.

Infektiöser Speichel kann aber nicht nur beim Beißen verteilt werden, sondern auch beim Aussaugen von Wunden – den eigenen, oder den von Kindern. Aber auch das ist eine schlechte Idee: Zwar enthält Speichel ein Enzym, das die Zellwand von Bakterien zerstört. Andererseits ist Spucke trotzdem infektiös. Und wird beim Aussaugen in die Wunde eingetragen. Medizinisch ist Beißen und Wunden aussaugen verboten – Küssen ausdrücklich erlaubt.

Die bisher erschienen Folgen finden Sie auf der Kolumnenseite des Tagesspiegel.

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