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Gesundheit: Kommentar: Volksreden

In Mathematik und Naturwissenschaft sei sie eine schlechte Schülerin gewesen, hat die Schauspielerin Katja Riemann kürzlich mit einem gewissen Stolz mitgeteilt. Für den Hamburger Anglisten Dietrich Schwanitz gehören die Naturwissenschaften nicht zur "Bildung", nimmt man sein neues Buch ernst.

In Mathematik und Naturwissenschaft sei sie eine schlechte Schülerin gewesen, hat die Schauspielerin Katja Riemann kürzlich mit einem gewissen Stolz mitgeteilt. Für den Hamburger Anglisten Dietrich Schwanitz gehören die Naturwissenschaften nicht zur "Bildung", nimmt man sein neues Buch ernst. Das deutsche Abitur kann man ablegen, ohne in Naturwissenschaften geprüft zu werden. Fast jeder zweite Bundesbürger glaubt, dass "gentechnik-freie" Tomaten gleich gar keine Gene enthalten.

Die Beispiele illustrieren, dass es nicht gut um die naturwissenschaftliche Bildung bestellt ist. Das haben die Wissenschaftsorganisationen und das Forschungsministerium erkannt und wollen es mit ihrer 1999 begründeten und bislang recht erfolgreichen Kampagne "Wissenschaft im Dialog" beheben. 2001 wurde zum "Jahr der Lebenswissenschaften" ausgerufen, und im Sommer soll in Berlin ein Wissenschaftsfest den vorläufigen Höhepunkt markieren.

An skeptischen Stimmen war dennoch kein Mangel. Journalisten beklagten, die Forscher wollten nur Reklame machen und keinen hehren "Dialog" führen. Der Berliner Akademie-Präsident Dieter Simon merkte an, die Wissenschaft müsse sich "von der Illusion verabschieden, öffentlich verstanden zu werden". Der Präsident der eher im Verborgenen wirkenden Gelehrten-Gesellschaft unterstellte den "Dialog"-Verantwortlichen "populistische Tendenzen".

Das wäre schön, kann man dem Professor nur antworten. Es wäre erstrebenswert, wenn die Stimme der Wissenschaft in der Öffentlichkeit lauter und verständlicher tönen würde. Die Forscher schweigen nur zu oft, wo sie erklären müssten, was sie tun und warum sie es tun, wo sie debattieren und streiten müssten - etwa zu den Gebieten Gentechnik, Klonen und Stammzellen, aber auch jenseits dieser Modethemen. Ein Anfang ist gemacht. Das Wichtigste aber sind nicht die Ereignisse. Noch wichtiger ist, dass die Mentalität der Wissenschaftler sich ändert, dass sie begreifen, wie stark ihre Arbeit mit der Öffentlichkeit, ihrem Geldgeber und Adressaten, zusammenhängt. Irgendwann, in ferner Zukunft, werden die Leute dann abends zu einem Vortrag über Hirnforschung gehen. Und nicht in einen Film mit Katja Riemann.

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