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Gesundheit: Schnee, der auf Monde fällt

Erstmals haben Forscher unter die Wolkendecke des Saturnmondes Titan geschaut. Offenbar hat’s dort eben erst geschneit.

„Dieser Mond sieht ganz anders aus, als wir erwartet haben.“ Im Kontrollzentrum der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa in Pasadena schauen der Berliner Planetenforscher Ralf Jaumann und seine Kollegen immer noch verblüfft auf die vielen Bilder und Daten. So nah wie keine andere Raumsonde vor ihr ist „Cassini“ vergangene Woche an dem Saturnmond Titan vorbeigeflogen. Der riesige Mond, der Einzige im Sonnensystem, der eine eigene Atmosphäre besitzt, hat den Forschern auch am Wochenende schlaflose Nächte bereitet. „Wir haben eine solche Oberfläche noch nie gesehen“, sagt Jaumann.

Schieben sich dort frische Eisschollen übereinander? Oder sind durch die Wolkendecke hindurch Meere aus Methan zum Vorschein gekommen? „Wir wissen immer noch nicht, wie viel der Oberfläche fest und wie viel flüssig ist", sagt Jonathan Lunine aus Arizona. Aber es gibt inzwischen einige Indizien dafür, dass der Mond vereist ist und dass es dort schneit.

Mehr als 40-mal wird die Raumsonde den Saturnmond in den kommenden Jahren passieren, in zwei Monaten soll sogar eine kleine Tochtersonde auf Titan landen. Aber schon der erste dichte Vorbeiflug hat ein neues Licht auf den Trabanten geworfen, der es, betrachtet man seinen Durchmesser von mehr als 5000 Kilometern, wohl verdient hätte, ein Planet genannt zu werden.

Bereits der erste flüchtige Blick auf die Bilder löste Erstaunen aus. Und wer einmal mit einem kleinen Fernrohr unseren Mond beobachtet hat, der kann die Verwunderung der Wissenschaftler verstehen. Unser Erdenmond ist rundum mit Kratern übersät. Es sind Einschlagskrater, Dellen also, die Meteoriten, Asteroiden und Kometen irgendwann bei einem Aufprall darin hinterlassen haben. Auf dem Mond gibt es solche Krater in nahezu allen Größenklassen: von hunderte Kilometer weiten Becken bis hin zu winzigen Vertiefungen im Mondgestein.

Aber nicht nur der Mond wurde in seiner Vergangenheit von großen und kleinen Himmelskörpern bombardiert. Sie schwirren überall im Sonnensystem herum. Und daher haben auch Merkur und Venus, Erde und Mars zahllose Dellen. Und der Saturnmond Titan?

„Wir haben gedacht, wir würden auf den Bildern viele Einschlagskrater sehen", sagt Jaumann, der am Planetenforschungszentrum in Berlin-Adlershof schon viele Mondmissionen wissenschaftlich begleitet hat. „Aber im Grund genommen sehen wir gar keine.“ Und das könne nur bedeuten: Die Krater sind verschwunden. Irgendein geologischer Prozess radiert sämtliche Spuren der Vergangenheit aus.

Auf der Erde sind viele solche Prozesse bekannt. Bei Vulkanausbrüchen und durch die Verschiebungen der Erdplatten kehrt unser Planet immer wieder sein Inneres nach außen. Schon deshalb sieht man auf der Erde allenfalls Einschlagskrater aus der jüngeren Vergangenheit des Globus, wie zum Beispiel den Meteor-Krater in Arizona oder das Nördlinger Ries in Süddeutschland. Aber selbst diese Krater werden nicht lange als solche erkennbar bleiben. Wind und Wetter erodieren die Becken und ebnen sie mit der Zeit ein. Was jedoch bringt die Einschlagskrater auf dem Saturnmond Titan so rasch zum Verschwinden, das dort nicht ein Einziger zu beobachten ist?

Vulkanismus und Plattentektonik scheiden aus. Der Mond ist in den Augen der Experten nicht groß genug und schon zu sehr ausgekühlt, um heute noch derart aktiv zu sein. Der Vulkanismus kann auch nicht von außen angeregt werden, wie es bei dem Jupitermond Io der Fall ist (siehe Kasten). Denn Titan spürt zu wenig von den Gezeitenkräften seines Mutterplaneten Saturn.

Wenn die Veränderung der Oberfläche aber nicht von innen kommt, dann bleiben vor allem Regen oder Schnee als mögliche Ursachen übrig. Dass sich in Titans Lufthülle Wolken bilden können, legten bereits Beobachtungen nahe, die Astronomen mit ihren Teleskopen von der Erde aus gemacht hatten. Aus diesen Wolken, so vermuteten sie bislang, regnet bei minus 180 Grad Kälte flüssiges Methan in offene Meere.

Nun haben Forscher in der Atmosphäre nicht nur Stickstoff und Methan, sondern auch viele andere chemische Verbindungen beobachtet. Die Wolken scheinen aus großen Partikeln und komplexen organischen Verbindungen zu bestehen. Der Wetterzyklus des Titan ist damit noch rätselhafter geworden.

Die Ansichten der Oberfläche legen nahe, dass die obersten zwei bis fünf Kilometer aus recht frischem Material bestehen. „Das sind gewaltige Mengen“, sagt Jaumann. „Und es ist nicht leicht zu erklären, woher sie kommen.“

Es gibt helle und dunklere Gebiete auf dem Mond. In ihrer chemischen Zusammensetzung unterscheiden sie sich kaum. Gerade so, als handele es sich um ein und dasselbe Material in einer feinkörnigen und einer grobkörnigen Variante, die das Licht verschieden stark reflektieren: etwa Eis und Schnee.

Außerdem sind auf den Bildern Linien und Furchen zu sehen. Die Kruste könnte an diesen Stellen durchbrochen sein, ähnlich wie die Eisoberfläche des Jupitermondes Europa. Einiges spricht dafür, dass Titans Oberfläche vereist und vergletschert ist; dass es dort schneit oder aber regnet und der Regen am Boden gefriert. „An den Stellen, die wir aufgenommen haben, sind keine Flüssigkeiten zu sehen“, sagt Jaumann.

Doch bisher beschränkt sich der Einblick auf wenige Prozent der Oberfläche. Und wer mit einem Raumschiff an der Erde vorbeiflöge, der könnte sich aus einem so kleinen Ausschnitt auch kein Bild des ganzen Globus machen: Je nachdem, ob er die Sahara, den Pazifik oder die Antarktis im Blick hätte, wären die Schlussfolgerungen völlig unterschiedlich.

Jedenfalls hat der Saturnmond eine überraschend junge und aktive Oberfläche. „Titan ist ein äußerst dynamischer Ort“, sagt Jonathan Lunine. Über das Klimageschehen und die Chemie dieser eiskalten Welt lässt sich bisher wenig sagen. Mit großer Spannung schauen Forscher daher der Landung einer Raumsonde auf dem Mond im Januar 2005 entgegen.

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