zum Hauptinhalt
Diabetes

© dpa

Diabetes: Zunder gegen die Zuckerkrankheit

Die Insulin-Spritze ist nicht in jedem Fall das letzte Mittel: Wer durch Bewegung Fett verbrennt, kann Diabetes zurückdrehen.

Diabetes: Wann und wo immer von dieser Krankheit die Rede ist, fällt meist rasch das Wort „Insulin“. Und wirklich ist es für zahlreiche zuckerkranke Menschen lebensrettend, sich das Hormon Insulin täglich zu spritzen. Zunächst gilt das für alle, die am selteneren Diabetes mellitus vom Typ I leiden, der typischerweise schon in jungen Jahren auftritt.

Hier zerstört das körpereigene Abwehrsystem die Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die für die Insulinproduktion zuständig sind. Das Hormon, das den Zucker zur Verarbeitung aus dem Blut zieht, muss von außen zugeführt werden. Die meisten Zuckerkranken haben jedoch einen „Altersdiabetes“ vom Typ II. Hier wird zwar Insulin produziert, doch es kann in den Körperzellen immer weniger Wirkung entfalten, weil sie mit der Zeit abstumpfen und für das Hormon unempfindlich werden. Die Bauchspeicheldrüse reagiert darauf zunächst mit verstärkter Produktion, fühlt sich aber irgendwann überfordert, die Insulin produzierenden Zellen gehen dann in einen verhängnisvollen vorzeitigen Ruhestand. Dann muss auch beim Diabetes vom Typ II für Ersatz gesorgt werden.

Allerdings brauchen nicht alle Diabetiker Insulin. Heute beginnt die medikamentöse Therapie meist mit Tabletten, die an verschiedenen Stellen in den Glukose- und Insulinstoffwechsel eingreifen. Sie erhöhen entweder die Verwertung der Glukose oder verzögern deren Aufnahme aus dem Darm und flachen dadurch Zuckerspitzen ab. Sie können aber auch eine erhöhte Insulinausschüttung ins Blut bewirken. Auch diese Tabletten müssen nicht sofort verordnet werden.

„Möglicherweise kann durch eine radikale Diät und ein Bewegungsprogramm das Rad ganz ohne Medikamente noch einmal zurückgedreht werden“, sagt der Diabetesspezialist Andreas Pfeiffer. Er leitet die Abteilung Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin am Campus Benjamin Franklin der Charité und arbeitet zugleich am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke. Nicht allein die demografische Entwicklung macht Diabetes zum Volksleiden: Es ist vor allem auch das zunehmende Übergewicht. Zwar sind inzwischen einige Gene bekannt, die das Diabetesrisiko deutlich erhöhen. Doch meist kommt das erst in Kombination mit bestimmten „Lifestyle“-Faktoren überhaupt zum Tragen. Dass Übergewicht eine der größten Gefahren darstellt, ist für keine andere Erkrankung so gut erwiesen wie für das Volksleiden Diabetes. Gefährlich ist vor allem das stoffwechselaktive Fett im Bauchraum. Die EPIC-Studie, für die beim DIfE Gesundheitsdaten von über 25 000 Potsdamer Bürgern über Jahre erhoben werden, hat ergeben, dass es nützlich ist, schon in jungen Jahren auf sein Gewicht zu achten.

Acht Millionen Deutsche sind nach Schätzungen der Deutschen Diabetes-Union erkrankt, für das Jahr 2010 wird schon mit zehn Millionen Erkrankten gerechnet. In der Altersgruppe der 55- bis 70-Jährigen sind mehr als 16 Prozent der Bevölkerung von der Zuckerkrankheit betroffen. Noch einmal so viele leiden wahrscheinlich unter einer Vorstufe, der gestörten Glukosetoleranz. Eine Studie kam schon im Jahr 2001 zum Schluss, dass 14,2 Prozent der nationalen Gesundheitsausgaben auf das Konto des chronischen Leidens Diabetes II gehen. Die Stoffwechselerkrankung entwickelt sich schleichend über Jahre hinweg, doch Gefäße und Augen werden oft schon frühzeitig geschädigt. Herzinfarkte, Schlaganfälle, Nierenversagen und Blindheit können die Folge sein.

Nicht nur wie viel, sondern auch was der Mensch isst und trinkt, ist in der Vorbeugung wichtig. Die EPIC-Studie zeigt, dass man sein Diabetesrisiko senken kann, indem man öfter Vollkornbrot und Müsli in den Speiseplan einbaut. Wahrscheinlich wirke sich hier günstig aus, dass eine ballaststoffreiche Kost den Blutzuckerspiegel nur langsam ansteigen lässt, sagt Heiner Boeing, Epidemiologe am DIfE und Leiter der Studie.

Dagegen kann man guten Gewissens ein paar Tassen Kaffee am Tag trinken und sich ab und zu an einem Glas Wein oder Bier erfreuen. Beides senkt sogar das Diabetesrisiko. Und die Lebensmittel, die in den Regalen der Supermärkte als spezielle Diabetiker-„Diät“ etikettiert sind, kann man links liegen lassen.

Heftig geworben wird derzeit für Nahrungsergänzungsmittel, die Diabetikern helfen sollen, ihren Blutzuckerspiegel niedrig zu halten. Die Palette reicht von Vitaminen und Omega-3-Fettsäuren über Zink, Magnesium und Selen bis hin zu Extrakten von Zimt oder Bockshornklee. „Die wenigen kontrollierten Studien am Menschen zeigen eher bescheidene Wirksamkeit oder das Fehlen jeglicher Aktivität, für Selen wurde sogar beobachtet, dass eine Supplementierung das Diabetesrisiko erhöhen kann“, sagt die Ernährungsphysiologin Hannelore Daniel von der Technischen Universität München. Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen erscheint zwar als bequeme Lösung. Preisgünstiger, vernünftiger und wirksamer ist es aber, gleich gesunde, vollwertige Lebensmittel einzukaufen – möglichst zu Fuß oder mit dem Fahrrad.

Mehr Informationen im Internet: www.diabetesstiftung.de

www.dife.de

Adelheid Müller-Lissner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false