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Igor Girkin in einem Gericht in Moskau am 29.08.2023.

© IMAGO/SNA/Kirillx Zykov

Putin ist „zu freundlich“: Russischer Nationalist Girkin kündigt Kandidatur für Präsidentschaftswahl an

Der ehemalige Separatistenkommandeur kritisiert den russischen Präsidenten und die russische Militärführung – mal wieder. Derzeit sitzt er im Gefängnis.

Der inhaftierte frühere Separatistenführer Igor Girkin hat seine Kandidatur für die russische Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr angekündigt.

„Ich halte mich in Militärfragen für kompetenter als der amtierende Präsident, und sicherlich für kompetenter als der Verteidigungsminister“, erklärte Girkin am Donnerstag in seinem Kanal beim Online-Dienst Telegram. Präsident Wladimir Putin sei „zu freundlich“.

Der Staatschef sei „nicht nur von seinen Partnern im Westen und in Kiew an der Nase herumgeführt worden, sondern auch von den Chefs unserer Sicherheitsbehörden, Geheimdienste und der Militärindustrie“, erklärte Girkin.

Anders als Putin habe er keine Millionärsfreunde, sagte der 52-Jährige, ein Seitenhieb auf zahlreiche Korruptionsvorwürfe. Girkin wird allerdings die Nähe zu dem ultranationalistischen Oligarchen Konstantin Malofejew nachgesagt.

Festnahme wegen „öffentlicher Aufrufe zum Extremismus“

Militärblogger Girkin firmiert auch unter dem Pseudonym Igor Strelkow, auf Telegram folgen ihm mehr als 730.000 Menschen. Im Juli wurde er wegen „öffentlicher Aufrufe zum Extremismus“ festgenommen, ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Girkin unterstützt die russische Offensive in der Ukraine, kritisiert aber öffentlich die Militärführung des Kremls.

US-Institut rechnet Girkin keine Chancen aus

Das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) sieht Girkins Vorstoß im Bericht vom 31. August 2023 als ein „vergebliches politisches Manöver“. Das Ziel sei, eine kohärente und bedeutende politische Oppositionsgruppe zu formen.

Am 30. August wurde der Darstellung des ISW nach die Gründung eines neuen Bündnisses bekannt gegeben, es heißt „Igor Strelkow Bewegung“. Zum Anführer wurde demnach Girkin gewählt und das ISW sieht darin einen Versuch, die Zersplitterung seiner Unterstützer zu verhindern, während er im Knast sitzt.

Doch die „theoretische ‚Kampagne‘“ von Girkin werde nach Einschätzung des ISW kaum oder gar keine Auswirkungen haben. Eine politische Gefahr für den Kreml bestehe nicht.

Russlands aktuelle Führung werde Girkin nicht kandidieren lassen und dessen Ankündigung sei ohnehin keine ernsthafte Kandidatur, behauptet das ISW. Girkins Motivation bestehe vielmehr auch darin, Aufmerksamkeit auf seine Gefangenschaft zu lenken und auf seine – längst bekannten – politischen Forderungen.

Girkin überrascht seine Anhänger

Kirill Fedorov zeigte sich laut ISW überrascht von der Kandidatur. Er ist Mitglied im ultranationalistischen „Club der wütenden Patrioten“, der von Igor Girkin mitbegründet wurde. Fedorovs Darstellung nach habe sich die Bewegung zuvor dagegen entschieden, jemanden ins Rennen um die Präsidentschaft zu schicken.

Das ISW geht davon aus, dass der „Club der wütenden Patrioten“ nach Girkins Verhaftung „verzweifelt“ darum bemüht sei, die Reihen zusammenzuhalten und relevant zu bleiben.

Spott über die Kandidatur

Girkins Ankündigung habe im Internet unter russischen Ultranationalisten nur „begrenzte Reaktionen“ ausgelöst, berichtet das ISW weiter. Größtenteils sei verwirrt, sarkastisch und mit Kritik reagiert worden.

Bei dem vom Kreml unterstützten Aufstand 2014 in der Ostukraine war Girkin als Kommandeur der Separatisten in der international nicht anerkannten Volksrepublik Donezk bekannt geworden.

Ein niederländisches Gericht verurteilte ihn im vergangenen Jahr wegen des Abschusses des Malaysia-Airlines-Flugs MH17 über der Ukraine im Jahr 2014 in Abwesenheit zu lebenslanger Haft.

In Russland soll im kommenden Jahr eine Präsidentschaftswahl abgehalten werden. Mit der näherrückenden Wahl gehen die russischen Behörden nicht mehr nur hart gegen liberale Kritiker vor, sondern auch gegen Kreml-Gegner, die Moskaus Offensive in der Ukraine unterstützen. (Tsp/AFP)

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