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Der US-Generalstabschef Mark Milley.

© AFP / Andre Pain

Ukraine-Invasion Tag 335: US-Generalstabschef sieht Erfolgschancen für eine ukrainische Frühjahrsoffensive

Mark Milley mit überraschender Einschätzung + Deutsche unter den Wagner-Söldnern + Ukraine baut Staatsapparat um. Der Überblick am Abend.

Der Chef des US-Generalstabs Mark Milley hat sich überraschend positiv über die Erfolgsaussichten einer ukrainischen Frühjahrsoffensive geäußert. Kiew könne große Teile seines Territoriums zurückerobern, wenn die Armee entsprechend ausgerüstet wird. 

„Abhängig von der Lieferung und Ausbildung der Soldaten halte ich es für sehr, sehr wahrscheinlich, dass die Ukrainer eine bedeutende taktische oder sogar operative Offensiven durchführen können, um so viel ukrainisches Territorium wie möglich zu befreien“, sagte Milley. „Dann werden wir sehen, wie weit sie kommen.“ Mit operativen Offensiven sind größere Geländegewinne gemeint, taktische dagegen verbessern lediglich die Ausgangslage für einen Vorstoß (Quelle hier).

Die Aussagen von Milley sind deshalb überraschend, weil der oberste US-General zuletzt eher mit pessimistischen Aussagen zur Ukraine Schlagzeilen machte. So sprach er von 100.000 Soldaten, die die Ukrainer bisher im Krieg verloren hätten (eine Zahl, die von Kiew dementiert wurde). Zudem empfahl er der Ukraine, einen Verhandlungsfrieden ins Auge zu fassen, weil die Fronten sich ohnehin nicht weiter verschieben würden und kam dabei auf den Ersten Weltkrieg zu sprechen. Auch damals hätten die Kriegsparteien den Zeitpunkt für einen Friedensschluss verpasst; viele unnötige Opfer seien die Folge gewesen. 

Milleys Äußerungen aus dem November können Sie hier nachlesen. Wer genau liest, sieht auch den entscheidenden Unterschied zu seiner aktuellen Einschätzung. Milley sprach im November 2022 über ein Zurückdrängen der russischen Truppen aus der gesamten Ukraine. Aktuell geht es ihm eher um eine Offensive wie in Cherson oder Charkiw.

Andere Top-Militärs sind aber durchaus der Meinung, dass für die Ukrainer mehr drin ist. Wie der ehemalige Befehlshaber der US-Truppen in Europa, Ben Hodges, in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel schreibt, hält er eine Eroberung der Krim nicht für ausgeschlossen (mehr dazu unten im Bereich Hintergrund & Analyse).

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • 7000 Dollar Monatslohn, 10.000 Dollar Kopfprämie: Auch Deutsche kämpfen für die russische Wagner-Gruppe im Donbass. Mehr hier.
  • Überteuerte Lebensmittel für Soldaten im Hinterland, Dienstfahrt-Affäre, Schmiergelder: Gleich mehrere hochrangige Kiewer Funktionäre räumen Fehlverhalten ein. Der Staatsapparat ist im Umbau. Mehr hier.
  • US-Medienberichten zufolge überlegt Bidens Regierung, Abrams M1-Panzer in die Ukraine zu schicken. Dies würde als Teil einer umfassenden demokratischen Übereinkunft mit Deutschland geschehen. Laut US-Beamten könnte eine Ankündigung der Lieferungen noch in dieser Woche erfolgen. Das teilte einer mit der Angelegenheit vertraute Person dem amerikanischen Newsmagazin Bloomberg mit. Mehr in unserem Newsblog.
  • Bei Inspektionen von Atomkraftwerken in der Ukraine ist der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zufolge kein Kriegsgerät gefunden worden. Das sagt IAEA-Chef Rafael Grossi vor dem Europäischen Parlament. 
  • Die Türkei sagt dem staatlichen Fernsehsender TRT zufolge ein für Februar in Brüssel geplantes Treffen mit Finnland und Schweden ab. Der Sender beruft sich auf türkische Diplomaten. Finnland und Schweden wollen der Nato beitreten.
  • Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Russland wegen des Umgangs mit zwei Menschenrechtsaktivisten verurteilt. Russland habe das Verbot der Folter missachtet, sowie das Recht auf ein faires Verfahren und die Meinungsfreiheit verletzt, erklärten die Richter am Dienstag. 
  • Zum ersten Mal seit Kriegsbeginn ist Finnlands Präsident Sauli Niinistö in die von Russland angegriffene Ukraine gereist. Das finnische Staatsoberhaupt machte sich am Dienstag ein Bild von den Kriegsfolgen in den Kiewer Vororten Borodjanka und Butscha, wie Aufnahmen des finnischen Rundfunksenders Yle zeigten. Als Gastgeschenk erhielt er in Borodjanka ein Kunstwerk, das aus dem Deckel eines russischen Munitionskastens hergestellt wurde. 
  • Elf Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine hat Moskaus Generalstabschef Waleri Gerassimow in einem Interview die Notwendigkeit der Neuaufstellung der eigenen Streitkräfte unterstrichen. „Solch ein Niveau und eine Intensität der Kampfhandlungen hat das moderne Russland noch nicht erlebt“, sagte der Kommandeur der Truppen im Krieg gegen die Ukraine der russischen Internetzeitung Argumenty i Fakty. „Unser Land und seine Streitkräfte wirken heute praktisch dem gesamten kollektiven Westen entgegen“, sagte der 67-Jährige, der in diesem Monat nach vielen Niederlagen das Kommando über die Kriegstruppen übernommen hatte.
  • Russland wird nach Angaben von Gerassimow drei weitere motorisierte Infanterie-Divisionen in den ukrainischen Regionen Cherson und Saporischschja einsetzen. 
  • Westliche Militärhilfen für die Ukraine sind nach Einschätzung des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) weiter notwendig, damit das Land bei einer möglicherweise entscheidenden russischen Militäroffensive in den kommenden Monaten nicht seinen Vorteil verliert. Der ukrainische Militärgeheimdienst rechne mit einem solchen Angriff im Frühling oder Frühsommer 2023, schrieb die in Washington ansässige Denkfabrik in ihrem jüngsten Bericht am Montagabend (Ortszeit).
  • Laut Berichten in den sozialen Netzwerken hat Russland einen Vorstoß im Süden der Ukraine auf die Stadt Wuhledar gestartet. Ein russischer Kommandeur schrieb auf Telegram, dass der Angriffsbefehl gegeben wurde und ausgeführt werde.
  • In der ukrainischen Stadt Chasiv Yar sind am Montag mindestens neun Hochhäuser durch russischen Beschuss beschädigt worden. Eine Person sei dabei getötet worden, zwei weitere Menschen seien verletzt worden, teilt der Gouverneur der Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, auf Telegram mit.“ Die Russen terrorisieren und töten absichtlich die Zivilbevölkerung. Und sie werden dafür teuer bezahlen“. Reuters konnte den Bericht nicht unabhängig verifizieren.

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