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Kultur: Chor der Hoffnungsvollen

Kann man von Hoffnung singen, wenn der Tod droht? Die Kinder von Theresienstadt haben es getan, über fünfzig Mal, vom September 1943 bis September 1944, bis sie schließlich fast alle nach Auschwitz deportiert wurden.

Kann man von Hoffnung singen, wenn der Tod droht? Die Kinder von Theresienstadt haben es getan, über fünfzig Mal, vom September 1943 bis September 1944, bis sie schließlich fast alle nach Auschwitz deportiert wurden.Ein Jahr lang spielten sie die Fabel von Aninka und Pepícek, die mit vereinten Kräften den bösen Leierkastenmann Brundibár besiegen, als Sieg des Guten über das Böse.Und bedienten damit gleichzeitig die Propagandamaschinerie der Nationalsozialisten, die "Brundibár" in ihrem Vorzeige-KZ Theresienstadt als Beweis normalen Lebens vermarkteten.

Dieser Hintergrund ist nicht wegzudenken bei einer Aufführung der Kinderoper des tschechischen Komponisten Hans Krása.Und darf doch die Oper nicht überschatten.Denn Krása, ein gemäßigter Zemlinsky-Schüler, schrieb dem Werk gefällige, rhythmisch gewitzte Melodien, einen schwungvollen Walzer, melodiöse Arien, einen Hauch von Wiener Caféhausmusik ein.Es ist ein Märchen, das er komponiert hat, ein kindgerechtes, heiteres, dem die düsteren Untertöne, die sich aus dem geschichtlichen Hintergrund ergeben, weitgehend fehlen.

Düstere Töne fügt in Berlin die Brundibár-Ouvertüre des Komponisten Ulrich Bauer hinzu, die zum Holocaust-Gedenktag am 27.Januar uraufgeführt wurde.Auf der Grundlage eines Satzes der Zeitzeugin Ela Weissberger, "We can forgive, but we can never forget", baut Bauer ein achtteiliges Tongedicht für Solosopran, Saxophon und kleines Orchester auf.Ann-Kristin Sorvag gibt den monoton fragenden Silben des "can" düstere Eindringlichkeit, das Saxophon untermalt sie beim zweiten "we" mit solistischer Klage: Erst zum "never" schwingt sich das Orchester mit Trommelwirbeln zum dramatischen Crescendo auf, das dann bei "forget" melodiös überleitet zu Krásas ersten Takten.Das Gesamtwerk wirkt sehr zurückgenommen, wenig expressiv, aber in seinem düsteren Grundton dem Anlaß angemessen.

Wenig düster dagegen die nachfolgende Oper, die das Spandau Orchester unter Leitung von Carsten Albrecht schwungvoll musiziert.53 Kinder im Alter von 8 bis 14 Jahren hat der Dirigent in ganz Berlin ausgewählt, um nach dem Vorbild von "Jeunesses Musicales" eine echte "Kinderoper" zu spielen.Zwischenzeitlich sah es aus, als sollte die Aufführung aus Finanzierungsgründen scheitern.Erst die Spende des Berliner Unternehmers Hans Wall, von den Beteiligten mit standing ovations gefeiert, ermöglichte zumindest eine halbszenische Fassung.

Vielleicht ist es gut, daß die weiterreichenden Inszenierungsideen des Regisseurs Matthias Diem wie etwa, den gesamten Zuschauerraum in Tüll einzuhüllen oder den Leierkastenmann Brundibár auf einem überdimensionalen Volksempfänger auf die Bühne zu bringen, nicht verwirklicht werden konnten: So bleiben am Ende nur die symbolische Birkenpflanzung und ein Erdhügel, den die Kinder gemeinsam aufschütten, als Erinnerung an die Vergangenheit.Und es bleibt das eindrückliche Bild des über sechzigjährigen Aron Salomon Sandfort, der in Theresienstadt bei "Brundibár" Trompete spielte und in Berlin Hand in Hand mit den Kindern den Schlußchoral singt.Es lebe die Freundschaft.Und die Hoffnung.

CHRISTINA TILMANN

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