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Kultur: Die Wörter der Liebe

THEATER

Prag, 1943: Marianne Golz, einst eine berühmte Operettensängerin, sitzt in der Zelle des Gefängnisses Pankraz und wartet auf ihre Hinrichtung. Über einen Gefängniswärter, den sie sich mit ihrem Charme zum Freund gemacht hat, lässt sie einen Brief in die Männerzelle schmuggeln: „Wer ihn erhält und mir antwortet, der soll mein letzter Liebhaber sein“, schreibt die attraktive Lebedame darin. Zurück kommt ein Brief des 27-jährigen Rischa, eines tschechischen Todeskandidaten aus der Provinz, nahezu halb so alt wie Marianne. Eine zärtliche, romantische Brieffreundschaft entwickelt sich zwischen dem ungleichen Paar. Immer wieder gelingt es den beiden, sich ihre Zeilen zukommen zu lassen – oft sind sie verzweifelt, voller Angst vor dem nahenden Tod, dann aber sprechen sie sich Mut zu, träumen sich miteinander in ferne, bessere Zeiten.

Es ist eine wahre Geschichte, die da im Theaterforum Kreuzberg (noch bis 19.1.) in Form des Zwei-Personen-Stücks Der Große Tag - eine Liebe in Briefen von Eve Slatner aufgeführt wird. Marianne Golz und der junge Rischa wurden während des Zweiten Weltkrieges verurteilt, weil sie Juden und politisch Verfolgten zur Flucht verholfen hatten. Vier Monate gelang es ihnen, sich mit ihren Briefen die Hölle des Gefängnisalltags erträglicher zu machen. Am 8. Oktober 1943 wurde Marianne Golz hingerichtet, Rischa sieben Monate später. Die beiden hatten sich nie gesehen. Ein Gefängniswärter bewahrte die Briefe auf, die jetzt leicht bearbeitet die Grundlage für das Stück bilden. Eindrücklich tragen Eve Slatner und Stephan Wolf-Schönburg daraus vor, fesseln den Zuschauer nicht durch Gestik und Bewegung, sondern allein durch ihre Worte.

Julia Ziegler

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