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Kultur: Fremdgänger

Das Trio Neuklang wildert mit Cello, Klarinette und Akkordeon im Klassik-Revier

„Wir sind ein Geheimtipp“, sagt Jan Jachmann. Sein Kollege Nikolaj Abramson, der viele Worte vermeidet, nickt bekräftigend. Mit dem Cellisten Arthur Hornig bilden der Klarinettist und der Akkordeonspieler das „Trio NeuKlang“. Wer das junge Ensemble mit der ungewöhnlichen Besetzung kennenlernen will, wird an überraschenden Stellen fündig. Während viele klassische Konzertveranstalter noch unschlüssig reagieren, haben die Organisatoren von Berliner VIP-Veranstaltungen entdeckt, dass Bundespräsidenten und ihren Gästen auch anderes zuzumuten ist als Streichquartette. Auch wenn sie sich danach bisweilen verwundert die Ohren reiben: Das klingt, als ziehe man mit Beethoven und Schubert im Tangoschritt durch nächtliche Tanzlokale.

An solche Ausflüge dachten die Musiker nicht, als sie vor zehn Jahren bei einem Neue-Musik-Projekt der Kreuzberger Musikschule zueinander fanden. Gesucht waren Musiker für die Uraufführung eines Stücks namens „Oktopus“ des Berliner Neutöners Georg Katzer. Das interessierte nicht nur den gerade 16-jährigen Jan Jachmann, sondern auch Nikolaj Abramson. Der studierte zwar bereits an der Hanns-Eisler-Hochschule. „Aber die wirklich interessante zeitgenössische Arbeit“, meinen die Musiker noch heute, „findet im kommunalen Bereich statt.“ Den Cellopart übernahm der wie Abramson aus Moskau stammende Dmitri Jurowski; mit Arthur Hornig tauschte er seinen Platz erst 2003, als er sich für eine Dirigentenkarriere entschied.

Schnell lernten die Musiker nicht nur einander, sondern auch die Vorteile der Besetzung schätzen: „Die Instrumente sind sehr eigenständig. Aber es gibt auch klangliche Überschneidungen, wir können verschmelzen. Wir können absolut kammermusikalisch, aber auch orchestral sein.“ Die Begeisterung teilte sich mit: Sogar zu einer Schubertiade in Japan wurde die Combo eingeladen. „Wir wissen nicht, ob das passt“, gaben die Musiker zu bedenken. „Doch, mit Akkordeon ist prima“, habe die Antwort gelautet.

Als der Veranstalter dann zwei Monate vor dem Auftritt das unüberhörbar zeitgenössische Stück hörte, habe er jedoch kalte Füße bekommen. Eine Ergänzung zum Programm musste her – nur gab es die für diese Besetzung eigentlich nicht. So machte sich Nikolaj Abramson, der als Schüler gerne Popstücke komponiert hatte, an die Arbeit als Arrangeur: Er bearbeitete Schostakowitschs Vokalstück „Aus jüdischer Volkspoesie“ und einen Tango von Astor Piazzolla. Seitdem bewegt sich das Trio frei im musikalischen Kosmos zwischen Klassischer Moderne, Tango, Jazz und Neuer Musik. „Bei den Bearbeitungen sind wir immer mutiger geworden“, sagt Jachmann.

Als das Trio bei der Verleihung des Nationalpreises 2007 spielen sollte, habe sich der Veranstalter Beethovens Ode an die Freude gewünscht. „Sollen wir es so spielen, wie es ist, oder so, wie wir es machen würden?“, fragten die Musiker. Die Antwort: Machen Sie mal. „Als ich mich ans Klavier setzte, hatte ich plötzlich ‚What a Wonderful World‘ im Ohr“, erzählt Abramson. Die Musiker verknüpften die Armstrong-Schnulze kurzerhand mit Beethovens Bombasthymne. „Kurz vorm Auftritt hatten wir dann doch ein bisschen Schiss“, erinnert sich Jachmann. „Aber es war offenbar so intelligent eingearbeitet, dass die Leute es durchgehen ließen.“

Ähnliche Reaktionen dürfte das Trio auch mit seiner Debüt-CD auslösen. Wobei „lost in tango“, das dieser Tage beim Berliner Label „harp“ erscheint, natürlich Unterhaltung mit Haltung ist: Schostakowitschs Hintergründigkeit trifft auf Piazzollas Experimentierlust. Und wenn die Musiker sich in ihren melancholisch-lustvollen Tangotravestien an vermeintlich totgespielte Themen von Mozart oder Schubert wagen, werden für kostbare Momente sogar Klassiker wieder zum Geheimtipp.

www.trioneuklang.de

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