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SCHREIB Waren: Lasst alle Sorgen fahren

Steffen Richter über Seelenverkäufer und Seelenverwandte

Der 4. September, frohlocken Gegner, wird ein schlechter Tag für Scientology. In Hamburg treten amerikanische Aussteiger auf, die von L. Ron Hubbards Ideen die Nase voll haben. Und im Charlottenburger Rathaus (Otto-Suhr-Allee 100), in Nachbarschaft der Scientology-Deutschlandzentrale, wird ein Buch vorgestellt: „Scientology. Wie der Sektenkonzern die Welt erobern will“ (Ch. Links). Die Autoren Frank Nordhausen und Liane von Billerbeck haben versammelt, was man über Scientology wissen sollte: Wie vor ein paar Millionen Jahren unsere Seelen (das „Thetan“) bei einem Besuch from Outer Space eine Funktionsstörung erlitten haben. Mit Hilfe welcher Beratungen und Apparate man das „Thetan“ befreien kann – und was das alles kostet. Schließlich: Wie man eine religiöse mit einer Geschäftsidee verbindet, ein streng hierarchisch strukturiertes Unternehmen aufzieht und richtig Geld verdient. Wer bei der Buchpremiere und Diskussion (4.9., 19 Uhr) dabei sein will, sollte sich unbedingt schnellstens anmelden (Tel. 030 - 44 02 32 10).

Wenn Stimmen von Toten zu hören sind, muss das nichts mit Tischerücken zu tun haben. Sie könnten auch aus „Halbschatten“ (Kiepenheuer & Witsch) stammen, dem neuen Buch von Uwe Timm. Hier begegnet der Erzähler auf dem Berliner Invalidenfriedhof den Stimmen von realen und erfundenen Toten. Im Zentrum steht das Leben und frühe Sterben der Fliegerin Marga von Etzdorf (1907-33). Eigentlich ist die Buchpremiere am 4.9. (20 Uhr) in der Akademie der Künste am Pariser Platz ein Pflichttermin – Timm ist zweifellos einer der größten deutschen Erzähler der Gegenwart.

Im Vergleich mit Kurt Drawert aber erscheint er gerade mal solide. Drawert hatte sich schon in „Spiegelland“ die ostdeutsche Herkunft mit schwindelerregendem Furor vom Leib geschrieben. Nun schickt er in „Ich hielt meinen Schatten für einen anderen und grüßte“ (C.H. Beck) eine Kaspar-Hauser-Figur auf Höllenfahrt durch die „Schuldbezirke“ der „Deutschen D. Republik“. Das grandiose Spektakel geht ebenfalls am 4.9. (20 Uhr) im Brecht-Haus (Chausseestr. 125) über die Bühne. Der Drawert’sche Höllentrichter erinnert verblüffend an die Topographie der Hölle bei Dante. Dessen „Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren“ könnte man auch über die Scientology-Filiale in Charlottenburg schreiben.

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