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Clod Iremonger und sein ständiger Begleiter, ein Badewannenstöpsel.

© Heap House, Edward Carey / Knesebeck Verlag

Charles Dickens trifft Tim Burton, die Iremonger-Trilogie: Mogule des Moders

Ein Junge, ein Mädchen und der Aufstand der Dinge: Edward Careys phantastisches Gothic-Abenteuer „Die dunklen Geheimnisse von Heap House“.

Einst waren sie einfache Lumpensammler, die Iremongers, aber nun sind sie Könige des Mülls, die Mogule des Moders. Die Dynastie gebietet seit Generationen über sämtliche Abfälle der Metropole London. Sie und ihre Bediensteten, die alles sortieren, wiederverwerten, verkaufen, was die vor Industrialisierung und Menschen nur so brodelnde Stadt des Jahres 1875 ausspuckt.

Clod ist fünfzehn. Ein Enkel von Umbitt Iremonger, dem Großvater und Clanpatriarchen, der allmorgendlich mit einer stampfenden Eisenbahn vom Stammsitz Heap House nach London fährt, um dort in der Iremonger-Verwaltung die Geschäfte zu führen. Clods Leben ist ebenso vorgezeichnet wie das seiner Vettern und Cousinen.

Der Nachttopf kann sprechen

Das Regiment ist streng. Mit 16 soll er die kurzen Cordhosen gegen lange, graue Beinkleider aus Flanell tauschen, eine Cousine heiraten und ins Müllgeschäft eintreten.

Doch der blasse, kränkliche Junge hat ein Spezialtalent: Er kann hören, was die Dinge reden. Selbst der Nachttopf und die Geburtszange.

Dinge gibt es reichlich in den Heap Lands, wo die Iremongers leben. Dort türmen sich die ausgemusterten Gegenstände zu gigantischen Müllbergen auf.

Lucy Pennant, das Dienstmädchen, bringt Aufruhr ins Heap House.

© Heap House, Edward Carey / Knesebeck Verlag

[Edward Carey: Die dunklen Geheimnisse von Heap House, Die Iremonger-Trilogie, Band 1. Aus dem Englischen von Herbert und Ulli Günther. Knesebeck Verlag 2022, 352 S., 18 €. Ab zwölf Jahre]

Mit der düster aufragenden Schrott-Villa Heap House im Zentrum, wo die weit verzweigte Familie von einer Linie nicht ganz so erstklassiger Verwandter als Hauspersonal umsorgt wird.

Oben die Herren, unten die Diener, streng getrennt, ganz wie es die britische Upstairs-Downstairs-Klassengesellschaft vorgibt. Doch als das Waisenmädchen Lucy Pennant als arme Verwandte in die Dienerkaste aufgenommen wird, gerät die heilige Ordnung der Mülliardäre durcheinander.

Beim Feuerstellen fegen lernt Lucy Clod kennen. Und Edward Careys Roman „Die dunklen Geheimnisse von Heap House“, der zuvor aus der Perspektive des Jungen erzählte, wird um die Dienstbotinnen-Perspektive reicher.

Edwar Carey, ein Brite in Texas, hat die grandiose Geschichte verfasst.

© Elizabeth McCracken / Knesebeck Verlag

Wie sie und die anderen exzentrischen Bewohner der sich zusehends zum Horrorhaus entwickelnden Bleibe aussehen, verraten schwarzweiße Illustrationen am Beginn jedes Kapitels. Sie stammen vom Autor, der auch bildender Künstler ist. In Großbritannien wurde die 2014 gestartete „Iremonger-Trilogie“ bereits viel gepriesen, sogar von der „New York Times“.

Im Oktober kommt der zweite Band

In Deutschland erscheint nach diesem ersten Band Ende Oktober der zweite: „Die schmutzigen Geheimnisse von Foulsham“. Und tatsächlich ist schon der Beginn der abenteuerliche Geschichte von Clod und Lucy, die gegen die Menschen verachtende Hierarchie der Müll-Kapitalisten aufbegehren, ein absoluter Knaller.

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Überbordend bizarr, detailversessen, atmosphärisch und temporeich erzählt. Und als Echo und Kommentar auf die Überflussgesellschaft in einen Irrsinnskult des Materialismus eingebettet, der seinesgleichen sucht. Charles Dickens trifft E.T.A Hoffmann trifft Tim Burton, um mal grob die literarischen und ästhetischen Bezugsgrößen dieses phantastisch-romantischen Brit-Goth- Märchens einzuordnen.

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Mit der Geburt bekommt jede und jeder Iremonger ein sogenanntes Geburtsobjekt zugeteilt, dass er oder sie wie den Augapfel hüten und bei sich tragen muss. „Man beurteilte einen Iremonger immer danach, wie er auf seinen besonderen Gegenstand achtgab“. Nicht auszudenken, was geschieht, wenn Clod seinen Badewannenstöpsel verliert.

Stöpsel, Türknäufe, Wasserhähne, Streichholzschachteln, Tassen – längst nicht alle von ihnen sind tote, seelenlose Materie. Manchen von ihnen wispern, andere schreien. Und was rufen sie? Menschliche Namen! „ James Henry Hayward“ tönt Clods Stöpsel ein ums andere Mal. Und das ist längst nicht alles, was in Heap House Seltsames und Grausames geschieht. Ein Dienstmädchen verschwindet. Gegenstände bewegen sich von selbst. Großvaters Leute versuchen, den Aufruhr der Dinge unter Kontrolle zu bringen. Doch als auch noch ein Sturm in den Müllbergen wütet, bricht endgültig Chaos aus. Können Clod und Lucy es bändigen? Fortsetzung folgt.

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