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Dioxin-Skandal: Aigner und die Futtermittelindustrie

Je mehr der Dioxin-Skandal in Vergessenheit gerät, desto größer wird der Einfluss der Lobbyisten. Die Ernährungsindustrie hat bereits die Lebensmittel-Ampel zu verhindern gewusst - mit Unterstützung der Ministerin. Das darf sich nicht wiederholen.

Vielleicht ändert sich dieses Mal wirklich etwas. Vielleicht waren es einfach zu viele Höfe, die geschlossen wurden. Vielleicht sind die Verbraucher kritischer geworden als früher. Und vielleicht steckt in Bundesagrarministerin Ilse Aigner doch mehr von der Verbraucherministerin, als ihre Kritiker gedacht haben.

Rechtzeitig zu Beginn der weltgrößten Ernährungsmesse, der Grünen Woche, hat die CSU-Ministerin einen Plan vorgelegt, der der Futtermittelindustrie erstmals wirklich Paroli bietet. Schafft Aigner es, alle Punkte umzusetzen, könnte der größte Skandal seit der Rinderseuche BSE am Ende sein Gutes haben. Doch dazu muss die Ministerin schnell sein. Auf Vorschläge müssen Gesetze folgen, je früher, desto besser. Denn jeder Tag, der vergeht, spielt der Futtermittelindustrie in die Hände. Und die hat kein Interesse an schärferen Kontrollen, an strengeren Zulassungsvoraussetzungen oder an teuren Haftpflichtversicherungen. Und auch die Ergebnisse der Proben, die die Firmen schon jetzt regelmäßig nehmen, wollen sie lieber für sich behalten, wenn die Werte schlecht ausfallen.

Bisher hat das geklappt. Niemand weiß, seit wann Futtermittelhersteller Industrieabfälle ins Tierfutter mischen. Einige Unternehmen wie Harles und Jentzsch, deren Chef sich jetzt auch noch als Stasi-Spitzel entpuppte, sind aufgeflogen. Doch wie groß der Schaden wirklich ist, welche anderen Betriebe ebenfalls gepanscht haben und wie viele dioxinverseuchte Eier oder Schnitzel wir schon gegessen und damit entsorgt haben, weiß niemand. Dass immer wieder belastetes Futter im Umlauf ist, spricht jedoch für sich. Es spiegelt die Marktgesetze einer Industrie wider, deren Profit umso größer ist, je weniger die Zutaten kosten. Übrigens ist auch die Biobranche von Futtermittelskandalen nicht verschont geblieben. Der Giftmais aus dem vergangenen Jahr, das Nitrofen – immer war es bio.

Die Futtermittelindustrie ist eine Schaltstelle. Das Dioxin, das die Hühner fressen, lagert sich in den Eiern ab. Die kommen in den Laden oder werden weiterverarbeitet – zu Kuchen, Keksen oder Nudeln. Trotz aller Ankündigungen hat es bislang kein Agrarminister geschafft, wirksame Kontrollen durchzusetzen. Und auch welche Produkte betroffen sind, erfahren die Verbraucher nicht. Auch das soll sich jetzt ändern.

Die Voraussetzungen sind günstig. Noch steht die Ministerin unter Druck. Sie muss Ergebnisse vorlegen können und beweisen, dass sie Verbraucher vor giftigen Nahrungsmitteln schützen kann. Doch je mehr der Dioxinskandal in Vergessenheit gerät, desto größer wird der Einfluss der Lobbyisten. Die Ernährungsindustrie zeigt, wie es geht. Aromen statt natürlicher Zutaten, Geschmacksverstärker, Zucker und Fett – auch Nahrungsmittelkonzerne möchten möglichst billig produzieren. Gesund ist das nicht. Kinderärzte, Verbraucherschützer und die Krankenkassen hatten sich daher eine Lebensmittel-Ampel gewünscht, damit Verbraucher auf einen Blick erkennen können, wie viel Zucker, Fett oder Salz in der Dosensuppe, der Fertigpizza oder dem Frühstücksmüsli steckt. Doch die Ernährungsindustrie hat das zu verhindern gewusst – mit Unterstützung der Ministerin.

Das darf sich nicht wiederholen. Wenn Aigner es jetzt schafft, die Futtermittelindustrie in Schach zu halten, wäre das ein Erfolg. Für die Ministerin. Für die Bauern, die bereit sind, für gutes Futter mehr auszugeben. Und für die, die am Ende der Nahrungskette stehen – die Verbraucher.

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