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Aus eigenem Antrieb ist immer gut, Erste-Hilfe-Ausbildung beim DRK im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahres.

© Dennis Möbus/DRK

Debatte um die Dienstpflicht: Kleiner Finger und öffentliche Hand

Ein erzwungener sozialer Dienst für junge Menschen wäre verfassungswidrig, falsch und politisch schädlich. Ein Gastbeitrag. 

Von Jürgen Hardt

Mit der allgemeinen Dienstpflicht diskutiert die CDU erstmals in ihrer Geschichte ein politisches Projekt, das offensichtlich verfassungswidrig ist. Die CDU sollte diese Debatte beenden, denn sie schadet mehr, als dass sie nutzt.

Das Grundgesetz kennt eine Dienstpflicht nur, wenn sie zur Aufrechterhaltung der Landesverteidigung unverzichtbar ist. Aus Gerichtsurteilen geht hervor, dass der Wehrpflicht – und damit auch jeder Form von erzwungener Dienstpflicht – in Konkurrenz zu anderen Grundrechten sehr enge Grenzen gesetzt sind.

Die Aussetzung der Wehrpflicht im Jahre 2011 hatte neben einem praktischen Grund vor allem einen rechtlichen: Wehrpflichtige waren für die Landesverteidigung nicht länger unverzichtbar. Es wäre dem Staat schwergefallen, vor Verwaltungsgerichten zu begründen, in welchen Panzern und auf welchen Schiffen diese Wehrpflichtigen hätten eingesetzt werden sollen, denn solche Panzer und Schiffe gab es nicht mehr.

Militärische Ausrüstung war entweder drastisch reduziert oder so technisiert worden, dass für Wehrpflichtige mit wenigen Monaten Ausbildung kein Bedarf war. Zudem band die Wehrpflicht rund 10000 Unteroffiziere und junge Offiziere durch Ausbildung und Führung von Wehrpflichtigen. Die Wehrpflicht war dadurch in der modernen, verkleinerten Bundeswehr zur Last geworden. Ihre Aussetzung war richtig und überfällig.

Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob eine Allgemeine Wehrpflicht überhaupt jemals wieder rechtlich zulässig und praktisch sinnvoll ist. Die stärkere Bundeswehr der Zukunft wird auf Technologie und nicht auf eine Vergrößerung der Truppe setzen.

Umso zweifelhafter sind die Ideen, alle jungen Bürgerinnen und Bürgern zu einem Pflichtdienst zum öffentlichen Wohl heranzuziehen. Jenseits der Unvereinbarkeit solcher Pläne mit Grundgesetz sind auch die Argumente dafür schwach.

Es wird die unbewiesene These angeführt, es täte jungen Menschen gut, in einem Teil ihres Lebens auch einmal etwas für die Allgemeinheit zu tun. Wer von denen, die das fordern, hat das eigentlich selbst getan? Wer entscheidet, was welchem jungen Menschen guttut?

Junge Menschen für einen ungeliebten Pflichtdienst zwangsweise davon abzuhalten, so bald wie möglich Ausbildung und Beruf ihrer Wahl zu ergreifen und zum Steuer- und Sozialbeitragszahler zu werden, ist nicht logisch – erst recht nicht in Zeiten von Fachkräftemangel. Ausbildungsbetriebe ringen um Nachwuchs, teilweise müssen Arbeitgeber wegen Personalmangel ihre Geschäftszeiten und ihre Produktion reduzieren.

Dem Arbeitsmarkt in diese Phase hinein einen ganzen Jahrgang vorenthalten zu wollen, wäre unverantwortlich und der Unmut der Betriebe nachvollziehbar. Es wäre auch nicht sozial: Finanzministern und Sozialkassen fiele dauerhaft ein Beitragsjahr weg, das in den Krankenkassen, Pflegeheimen und in der öffentlichen Infrastruktur fehlte.

Darüber hinaus ist die Frage, wer die Umsetzung des Dienstjahres übernehmen sollte, völlig offen und würde zum Chaos in der öffentlichen Verwaltung führen. Die über Jahrzehnte gewachsene Struktur der Kreiswehrersatzämter existiert nicht, der öffentlichen Hand fällt es jedes Jahr schwerer, für die jetzt schon vorhandenen Aufgaben qualifiziertes Personal anzuwerben.

Auch das Argument, anders wäre der Mangel an Kräften in sozialen Berufen nicht zu bewältigen, ist ein für Deutschland und die CDU gänzlich untypisches: Wenn Berufe unbeliebt sind, muss an den Arbeitsbedingungen, der Bezahlung und dem Image gearbeitet werden.

Wo der Arbeitsmarkt versagt, weil seine Kräfte im halbstaatlichen System der Krankenbehandlung und Pflege nicht wirken können, da ist der Staat gefordert, die richtigen Anreize zu setzen. Ob ein solcher Eingriff teurer und schwieriger ist als die flächendeckende Organisation eines Pflichtdienstes, darf bezweifelt werden.

Anmaßend ist der Unterton, mit dem diese Debatte vielerorts geführt wird. Junge Menschen empfinden den Ruf nach einem Pflichtdienst als indirekten Vorwurf, ihre Generation sei in eine Hängematte hineingeboren, die andere für sie aufspannen, und sie wären nur auf ihren Vorteil bedacht.

„Wir wissen nicht genau, was uns im Herbst erwartet, aber sicher ist doch, dass sich die Frage, wie wir wieder zu mehr Gemeinsinn kommen, im Herbst in aller Dringlichkeit stellen wird.“

Frank-Walter Steinmeier

Eine solche Wahrnehmung wird die jungen Menschen in unserem Lande noch weiter von der CDU entfremden. Sie werden zurecht fragen: Was ist eigentlich mit den Millionen Bürgerinnen und Bürgern, die nicht beim Bund waren, nicht eine Schar von Kindern großgezogen haben und mit Lebensaltern in Rente gehen durften, von denen junge Menschen nur träumen können. Gibt es dann für die auch Pflichtdienst?

Stattdessen sollten wir dafür sorgen, dass es für freiwilliges ehrenamtliches Engagement in allen Alters- und Gesellschaftsgruppen optimale Anreize und Rahmenbedingungen gibt. So kann die Zahl der Freiwilligen deutlich erhöht werden. Das ist der Weg, den unsere freiheitliche Demokratie nehmen sollte, an der die CDU Deutschlands so großen Anteil hat.

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