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Meinung: Die Bombe im Kopf

Von Christoph von Marschall

Plant George W. Bush einen Angriff auf Iran? Da gibt es zwei Fraktionen, beide haben gute Argumente. Bush habe sich längst für den Militärschlag entschieden, sagen die einen. Das Vorgehen erinnere fatal an Irak. Die politische Anklage – das Atomprogramm, die Hassreden des Präsidenten gegen Israel, nun die Vorwürfe, Iran unterstütze die Angriffe auf US-Truppen im Irak mit Kämpfern und Ausbildern – gehe Hand in Hand mit dem Aufmarsch, hier: der Entsendung eines Flugzeugträgers. Zu verlieren habe Bush nichts mehr, er musste nur noch die Kongresswahl abwarten, jetzt gehe es um den Platz in den Geschichtsbüchern. Er wolle den Nachfolgern keinesfalls einen Iran mit Atombombe hinterlassen.

Um Gottes Willen, sagen die anderen. Selbst Bush sehe ein, dass mit einem Militärschlag wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren sei. Ein Einmarsch steht ohnehin nicht zur Debatte, die Truppen sind in Afghanistan und Irak gebunden. Luftangriffe sind nicht aussichtsreich, es fehlt an gesicherten Geheimdiensterkenntnissen über die Atomanlagen. Wichtige Teile sind wohl längst unter der Erde, unerreichbar für die angeblichen Wunderwaffen. Ein zweiter gescheiterter Krieg würde Bushs Ruf vollends ruinieren. Die Rhetorik habe den Zweck, Druck auf Teheran auszuüben und die Mullahs zu verunsichern, damit sie nachgeben: im Atomstreit und im Irak.

Die Unsicherheit, welche Lesart zutrifft, stellt Europa vor eine schwierige Wahl. Es ist ja unbestritten: Iran spielt eine bedrohliche Rolle. Auch Deutschland will nicht zulassen, dass Iran die Bombe entwickelt, die vielleicht Israel auslöscht. Mehr Druck ist nötig, der bisherige hat nicht genug Wirkung entfaltet. Andererseits möchte Europa nicht an einer Eskalation mitwirken, die sich plötzlich verselbstständigt, bis es kein Halten mehr gibt.

Europa hat Druckmittel, die es bisher nicht nutzt: ernste, spürbare Wirtschaftssanktionen. Die täten freilich beiden Seiten weh. Die deutsche Wirtschaft exportierte 2006 Waren im Wert von 3,4 Milliarden Euro nach Iran. Die niederländische Shell hat soeben den Vertrag für die Ausbeutung eines Gasfeldes unterzeichnet. Die Amerikaner empört das, sie handeln nicht mit Iran. Senatoren fordern nun, EU-Firmen, die den Druck unterlaufen, in den USA zu bestrafen. Europa muss sich entscheiden: Wer die Mullahs mit friedlichen Mitteln zum Einlenken zwingen will, muss sie auch nutzen. Wer das verweigert, der liefert den Falken den Vorwand, es gehe eben doch nur mit Gewalt.

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