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Meinung: Die Last auf ihren Schultern Von Malte Lehming

Das US-Magazin „Time“ listet jedes Jahr die hundert einflussreichsten Menschen der Welt auf. Diesmal sind Angela Merkel dabei sowie Papst Benedikt XVI.

Das US-Magazin „Time“ listet jedes Jahr die hundert einflussreichsten Menschen der Welt auf. Diesmal sind Angela Merkel dabei sowie Papst Benedikt XVI. und Franz Beckenbauer. Merkel, heißt es, sei nach ihrer Wahl zur Kanzlerin zunächst abgeschrieben worden. Doch jetzt strahlt ihr Licht offenbar. Am morgigen Mittwoch reist sie, bereits zum zweiten Mal innerhalb von knapp vier Monaten, in die USA. Am Abend trifft sie Präsident George W. Bush. Ein Thema wird die Visite dominieren: das iranische Atomprogramm. Die vom UN-Sicherheitsrat gesetzte Frist zum Stopp seiner Urananreicherung hat Teheran verstreichen lassen. Nun ist guter Rat teuer. Die Eskalationsdominanz darf sich der Westen nicht aus der Hand nehmen lassen. Doch Russland und China lehnen Sanktionen ab. Was tun?

Die Rolle Deutschlands in diesem Drama lässt sich kaum überschätzen. Ob es zum Krieg kommt oder nicht, hängt erheblich auch von Merkel ab. Frankreich ist überfordert, England zu sehr Partei. Andere europäische Länder zählen nicht. Außerdem hat Deutschland enge Wirtschaftskontakte zu Iran. Die kann es als Druckmittel einsetzen. Bush hat jüngst in Washington den chinesischen Präsidenten bearbeitet, Merkel redete in Tomsk Klartext mit Vladimir Putin. Die Arbeitsteilung funktionierte perfekt, doch das Ergebnis ist bescheiden. Also muss jetzt, in Washington, der nächste Schritt vereinbart werden.

Im Juli lädt Putin zum G-8-Gipfel nach St. Petersburg ein. Es ist der erste unter russischer Führung, ein Prestigeprojekt Putins. Aber die Agenda legt er nicht allein fest. Bush und Merkel sollten dem russischen Präsidenten daher eine klare Botschaft übermitteln: Ziehst du nicht mit in Sachen Iran, werden wir daraus das Topthema in St. Petersburg machen. In seiner Heimatstadt im Kreise der wichtigsten Industrieländer isoliert zu sein – diese Perspektive dürfte Putin durchaus ängstigen. Und weil Deutschland, anders als vor dem Irakkrieg, diesmal auf Seiten der US-Regierung steht, könnte die Strategie Erfolg haben. Bush und Merkel: Die größte sicherheitspolitische Herausforderung verpflichtet die beiden zu einer neuen transatlantischen Zusammenarbeit. Ob es dem Rest der Welt passt oder nicht.

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