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Meinung: Einer allein kann’s nicht gewesen sein

„Alles morsch – Bernhard Schulz über die Lehren des Reichstagsbrandes“ vom 26. Februar und „Der Brand“ von Michael S.

„Alles morsch – Bernhard Schulz über die Lehren des Reichstagsbrandes“

vom 26. Februar und

„Der Brand“ von Michael S. Cullen

vom 24. Februar

Bernhard Schulz bringt es auf den Punkt: Vor allem daran, dass es „zu wenig Demokraten“ gab, ging die Weimarer Demokratie 1933 zugrunde.

Der Reichstagsbrand ist dafür bis heute das einprägsamste, flammende Symbol, und deshalb lodert auch die Diskussion über seine Urheber – waren es die Nazis oder allein Marinus van der Lubbe – immer wieder auf, wie jetzt zum 75 Jahrestag des Brandes vom 27. Februar 1933. Schulz benennt dazu ein wichtiges Detail - dass nämlich „die hölzernen Bänke des Plenarsaals so grundsolide gewesen“ seien, „dass die Tat eines Einzelnen kaum ausreichend scheint, um sie in Brand zu stecken“.

Das ist von allen Brandsachverständigen schon 1933 und wiederholt bis heute bestätigt worden. In den wenigen Minuten, die zwischen Marinus van der Lubbes Auftauchen im Plenarsaal und der riesigen Rauchgasexplosion (heute auch „Backdraft“ genannt) vergingen, konnte ohne zusätzliche flüssige Brandmittel wie Benzin und Phosphorlösungen das Großfeuer nicht entstehen. Hinzu kommt, dass die ermittelnden Polizisten – eine seit April 1933 zur Gestapo gehörende Brandkommission – sich keineswegs von Lubbes Alleinschuld überzeugt zeigten, sondern fälschlich die Kommunisten der Tat bezichtigten.

Der immer wieder zitierte Satz des ersten Untersuchungsberichts vom 3.3.1933 – „Die Frage, ob van der Lubbe die Tat alleine ausgeführt hat, dürfte bedenkenlos zu bejahen sein“ – bezog sich auf drei kleine Brände zwei Tage vor der Brandlegung im Reichstag, die folgenlos blieben. Ausgeblendet wird bei allen Parteinahmen für die Alleintäterschaft, die ihn zitieren, dass für den „Großbrand im Plenarsaal“ ausdrücklich die Prüfung „durch Sachverständige“ verlangt wurde – mit dem obigen Ergebnis.

Die Behauptung der Alleintäterschaft erweist sich vielmehr als ein erstmals 1949 auftauchendes Konstrukt vor allem ehemaliger SS- und Gestapo-Angehöriger, die befürchten mussten, für ihre Taten und Manipulationen zur Rechenschaft gezogen zu werden. Sie wurden seit 1959 die Hauptzeugen für Fritz Tobias, und Hans Mommsen half damals am Institut für Zeitgeschichte dabei, „aus allgemeinpolitischen Gründen unerwünscht“ erscheinende Kritik an dieser Alleintäterschafts-These zu unterdrücken.

Die Institutsleitung nannte das 2001 „unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten völlig inakzeptabel“.

Dr. Jürgen Schmädeke,

Berlin-Lankwitz

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