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Meinung: Geheimer Inlandsdienst: Verbessern statt abschaffen

Es ist nicht ganz einfach, den Verfassungsschutz gegen die Stimmen zu verteidigen, die seine Auflösung fordern. In den fünfzig Jahren ihrer Existenz hat die Behörde reichlich Skandale produziert, die jeder Kritiker genüsslich aufzählen kann.

Von Frank Jansen

Es ist nicht ganz einfach, den Verfassungsschutz gegen die Stimmen zu verteidigen, die seine Auflösung fordern. In den fünfzig Jahren ihrer Existenz hat die Behörde reichlich Skandale produziert, die jeder Kritiker genüsslich aufzählen kann. Es reicht schon, die letzten Desaster des Berliner Landesamtes zu erwähnen. Der in sich zusammengefallene Scientology-Verdacht gegen den Polizeidirektor Otto Dreksler und das Unvermögen, vor dem Verwaltungsgericht die rechtsextreme Gesinnung der "Republikaner" nachzuweisen, haben dem Verfassungsschutz schwer geschadet. Dennoch: Die Bundesrepublik kann auf einen Inlandsnachrichtendienst nicht verzichten. Sinnvoller als die Diskussion über die Abschaffung des Verfassungsschutzes wäre vielmehr eine Debatte, wie das Bundesamt und seine Ableger in den Ländern effektiver arbeiten könnten - und die parlamentarische Kontrolle zu stärken wäre.

Die Erkenntnis, dass der Verfassungsschutz die von der rechten Szene ausgehende Gewalt kaum unterbinden kann, taugt nicht zum Argument gegen die Existenz der Behörde. Der Kern ihres Auftrags ist die Beobachtung verfassungsfeindlicher Umtriebe. Für Gewalttaten bleibt die Polizei zuständig. Oder sollte sie etwa die Aufgaben des Verfassungsschutzes übernehmen und zur Superbehörde mit eigenem Geheimdienst mutieren? Das kann kein Demokrat wollen. Auch die Aufstockung von Bundesnachrichtendienst oder Militärischem Abschirmdienst wäre gefährlicher Unfug. Aber wohin sollte dann die Forderung nach Abschaffung des Verfassungsschutzes führen?

Die Frage lässt sich von der Sache her kaum beantworten, wenn eine Prämisse unstrittig bleibt: Dass Extremisten, seit der Wiedervereinigung vor allem die rechten, beobachtet werden müssen. Dies bezweifeln nicht einmal die härtesten Kritiker des Verfassungsschutzes. Im Gegenteil: Die linksradikale Antifa "erforscht" die Neonazi-Szene mit einer Intensität, die beeindruckt - bisweilen aber auch bedenklich wirkt. Mag sein, dass manchen Grünen diese Art von "Aufklärung" genügt. Es ist auch nicht zu leugnen, dass die Antifa dank ihrer Recherchen oft ein präzises Bild der aktuellen Lage präsentieren kann. Aber wird irgendjemand ernsthaft fordern, die bürgerliche Demokratie solle die Beobachtung von Neonazis der radikalen Linken überlassen?

Eine effektive Bekämpfung des Rechtsextremismus ist ohne Inlandsnachrichtendienst nicht zu haben. Das haben sich die demokratischen Kritiker des Verfassungsschutzes auch selbst zuzuschreiben: Solange sie nicht einmal in der Lage sind, nach zehn Jahren rechter Gewalt eine entsprechende Dokumentationsstelle aufzubauen, geschweige denn den Schutz von potenziellen Opfern rassistischer Angriffe zu organisieren, klingt die Forderung nach Abschaffung des Verfassungsschutzes ziemlich utopisch. Als gäbe es statt einer rechten Terrorismusgefahr nur noch ein Restrisiko.

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