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Meinung: Generalkritik

Israels oberster Militär greift Scharon an – weil der kein Konzept für den Frieden hat

Es war keine gute Woche für Ariel Scharon. Erst verliert seine Partei die Kommunalwahlen, dann kritisiert ihn der Oberbefehlshaber der Armee, Mosche Jaalon, wegen seiner Blockadepolitik gegenüber den Palästinensern. Zu schlechter Letzt verhören ihn Untersuchungsbeamte, die ihm Bestechung in zwei Fällen nachweisen wollen. Israels Premierminister, der die Wahlen zu Jahresbeginn haushoch gewonnen hatte, befindet sich in der ersten Krise der neuen Amtszeit.

Die Niederlage bei den Kommunalwahlen war zwar nicht niederschmetternd, und auch die Korruptionsermittler streiten noch über die Beweiskraft der Indizien gegen Scharon. Doch die Vorwürfe der Militärs bringen ihn in Bedrängnis. Wenn ihm die Raubeine der Armee mangelnde Kompromissbereitschaft vorwerfen, dann wird deutlich: Die Kritik kommt nicht mehr nur aus der Opposition und vom linken Rand, sondern aus der Mitte des Establishments.

Murren in der Armee

Israels Armee hatte gezwungenermaßen seit der Staatsgründung 1949 eine weit wichtigere Rolle im öffentlichen Leben, als man das in Europa kennt. Jitzchak Rabin, Ehud Barak, Scharon – die Reihe der Generäle, die später Regierungschefs wurden, ist lang. Die palästinensische Terrorkampagne der letzten drei Jahre hat die Verengung israelischer Politik auf Sicherheitsaspekte verschärft. Diese Einspurigkeit kritisiert Jaalon jetzt. Denn die Armee fühlt sich immer mehr als Ausputzer der Nation, die am Ende den Kopf hinhalten muss für die Ergebnisse verfehlter Politik gegenüber den Palästinensern.

Auch der Zeitpunkt der General-Intervention ist wohl kalkuliert. Während Scharon die in den letzten Wochen veröffentlichten Friedenspläne vehement abgelehnt hat – sowohl das Genfer Abkommen als auch das Zwei-Staaten-Papier des ehemaligen Geheimdienstchefs Ami Ajalon und des Präsidenten der Jerusalemer Al-Quds-Universität Sari Nusseiba – mehren sich nun die Anzeichen dafür, dass die anhaltende Hoffnungslosigkeit auf Seiten der Palästinenser in eine neuen Gewaltwelle münden könnte. Das würde all die Erfolge von Armee und Geheimdienst zunichte machen, die die Lage in den letzten Monaten leidlich, wenn auch nicht vollständig, unter Kontrolle hatten.

Die Armeeführung weiß um die Vorläufigkeit solcher Etappensiege. Das nächste Selbstmordattentat, die nächste Terrorwelle kommt bestimmt. Besonders die Antiterroreinheiten sind nach drei Jahren Dauereinsatz erschöpft. Fehlende geistige Frische und eine nicht zu verleugnende Abstumpfung gegenüber palästinensischem Leiden führen immer häufiger dazu, dass bei Attentaten auf Extremisten Zivilisten sterben.

Wie den Soldaten geht es den meisten Israelis: Sie wollen wissen, wo das alles hinführen soll, wofür sie so viele Opfer bringen. Mit dem Vorwurf, Israel habe nicht genug getan, um den zurückgetretenen palästinensischen Premier Mahmud Abbas zu unterstützen, zerstört Jaalon nun auch den lieb gewonnenen Mythos der Scharon-Regierung, alle Schuld am Scheitern der Verhandlungen liege bei Arafat. Abbas hat in seiner Abschiedsrede vor allem Arafat für sein Aufgeben verantwortlich gemacht, aber Israel hat ihm auch nicht die Mittel an die Hand gegeben, diesen Machtkampf zu bestehen.

Reise nach Amerika

Scharon war gewählt worden, weil er versprochen hatte, militärische Härte mit politischen Angeboten zu verbinden. Davon ist wenig geblieben. Nur wenn wie jetzt der öffentliche Druck zunimmt oder der Besuch eines israelischen Politikers in Amerika ansteht, tut Scharon so, als wolle er die Lebensbedingungen der Palästinenser erleichtern und verhandeln. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Gerade erst wurden weitere illegale Außenposten in der Westbank quasi legalisiert und 25 Millionen Euro für den Ausbau von Siedlungen bewilligt.

Im Frühjahr, als Scharon von „schmerzhaften Kompromissen“ sprach und die Road Map ins Rollen kam, hat ihm das politischen Kredit in der Welt eingebracht. Der ist nun aufgebraucht. Jetzt gilt, was für die palästinensische Führung schon lange gilt: Man verlangt Taten, nicht nur Worte. Und mehr politische Fantasie. Schlimm genug, dass das ein General von seiner Regierung fordern muss.

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