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Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, Volker Ratzmann, auf dem Weg zur Landesdelegiertenkonferenz.

© dapd

Berliner Koalition: Gepflastert mit Problemen

Der Streit um die A 100 wirft einen Schatten auf die bevorstehenden rot-grünen Koalitionsverhandlungen. Die Grünen rüsten verbal ab. Für Wowereit sollte das nicht das Signal sein, sie weiter zu schurigeln.

Koalitionen sind Kompromisse, vom Wählerwillen erzwungene Arrangements auf Zeit, bei denen beide Partner zurückstecken müssen. Deswegen benötigen Koalitionen neben gemeinsamen Vorhaben auch Rücksicht und Vertrauen. Der Regierungsalltag zwischen städtischen Problemen und bundespolitischen Herausforderungen ist schon ohne stetes Misstrauen konfliktträchtig genug. Man muss dies eigentlich Selbstverständliche in Berlin aus gegebenem Anlass betonen – trotz der klaren Zustimmung der Grünen für die Aufnahme von Verhandlungen mit der SPD. Denn schon die Sondierungsgespräche haben einiges an Vertrauen verspielt, obwohl die Arbeit für ein rot-grünes Regierungsbündnis nun erst richtig anfängt. Für Berlin, wo es um dringende Weichenstellungen für eine erfolgreiche Zukunft geht, ist das keine gute Nachricht.

Es gehören zwei Alphatiere wie der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und der grüne Fraktionschef Volker Ratzmann dazu, die Gespräche in den letzten Tagen in die Nähe des Scheiterns driften zu lassen. In Sondierungen Differenzen und Unvereinbarkeiten auszuloten, ist Sinn dieser Gespräche; sie nachträglich zum Schlachtfeld um die Deutungshoheit zu machen, etwas anderes. Es ist dabei untergegangen, dass es viele Themen gibt, bei denen sich Sozialdemokraten und Grüne nahe sind. Diese Gemeinsamkeiten, etwa bei einem ökologischen Stadtumbau, der Ansiedlung von Zukunftsindustrien und der Stärkung des Wissenschaftsstandorts sind schwerwiegender und für die Zukunft entscheidender als das Scharmützel um einen mit vielen Unwägbarkeiten versehenen Weiterbau der Autobahn A 100.

Selbst die Industrie- und Handelskammer hat deutlich gemacht, dass es weit wichtigere Themen für die Wirtschaft gibt, und die drei Kilometer lange Betonpiste nicht die zentrale Bedeutung hat, zu der sie der Regierende Bürgermeister stilisiert. Bei Wowereit ist bereits das Muster zu erkennen, mit dem es ihm gelungen ist, in zehn Jahren gemeinsamer Regierung die Linkspartei fast zur Bedeutungslosigkeit zu marginalisieren. Es ist ihm gelungen, die Verhandler der Grünen beim Hickhack um die A100 als realitätsferne Fantasten vorzuführen, die einen politischen Kotau zu einem Erfolg umstricken wollen. Aber keine Partei, gerade nicht die Grünen, kann ohne Selbstachtung in eine Koalition gehen und diese durchstehen. Dies lässt Wowereit außer acht, wenn er meint, er könne die Grünen nach Belieben schurigeln. So schafft man Sollbruchstellen, keine Stabilität.

Die Grünen haben auf dem Parteitag verbal abgerüstet und klar gemacht, dass sie Verantwortung übernehmen wollen – auf Augenhöhe mit der SPD. In trockenen Tüchern ist Rot-Grün längst nicht; ein für beide Seiten tragbarer Kompromiss für die A100 fehlt immer noch. Weitere Stolpersteine werden dazu kommen. Es darf dabei nicht um die Parteien, es muss um ein klares Zukunftsprogramm für Berlin gehen. Das setzt berechenbare Partner voraus und keine Drohungen – von beiden Seiten. Sonst könnte es doch noch Rot-Schwarz werden; etwa wenn von Grünen einige Absprachen schon wieder in Frage gestellt werden, so zur Landesbibliothek oder dem Flughafenausbau. Wowereit ist Rot-Schwarz zuzutrauen, selbst wenn viele Genossen gegen die A 100 und ein Bündnis mit der CDU sind und obendrein die SPD-Spitze dies als falsches bundespolitisches Signal bewerten würde. Zwischen Selbstbewusstsein und Selbstüberschätzung liegt kein weiter Weg: deutlich weniger als drei Kilometer Autobahn.

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