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Zu wenige: Jugendliche in der Ausbildung. Pflegekräfte sind dringend gesucht.

© epd/Juergen Blume

Pflegekatastrophe droht : An der völlig falschen Stelle gespart

Wer kann das bezahlen, wer hat so viel Geld? Kaum jemand. Pflege in Deutschland: ein kostbares, kostspieliges Gut. Da muss der Staat ran.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Der Pflegenotstand nimmt zu, die Betroffenen schlagen Alarm. Immer weniger Pflegende bei immer mehr zu Pflegenden. Bald fünf Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig, knapp vier Millionen werden zu Hause betreut. Zeit zu reden und zu handeln – jetzt.

Was die Regierung jetzt tun soll? Zunächst einmal, was sie unterlassen sollte: den Steuerzuschuss zur Pflegeversicherung zu streichen. Fällt nämlich die zugesagte eine Milliarde Euro weg, beschleunigt das den Kollaps des Systems. Die Beiträge würden in die Höhe schießen. Der Steuerzuschuss müsste also umgekehrt sogar ausgebaut werden.

Und dann drängt eine grundlegende Pflegereform. Schon 2021 gab es ein Defizit von 1,35 Milliarden Euro. Die Einnahmen lagen bei 52,50 Milliarden, die Ausgaben stiegen auf 53,85 Milliarden. Zum Jahresende 2022 verzeichnete die Pflegeversicherung ein Minus von rund 2,2 Milliarden Euro.

Hier liegt die Herausforderung für den Staat: die Pflegeversicherung dauerhaft solide zu finanzieren. Mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen aber erhöhen die Kosten. Außerdem wird aus der Pflegeversicherung der Beitragssatz zur Rentenversicherung der pflegenden Angehörigen gezahlt.

Hohe Ausgaben in der Pandemie

Da muss etwas geschehen. Zumal die Pflegekassen in der Pandemie ja hohe zusätzliche Ausgaben übernehmen mussten, für den Schutz von Pflegebedürftigen, von Beschäftigten in der Pflege und von pflegenden Angehörigen. Das plus die Zunahme der Zahl zu Pflegenden – alles geht ins Geld. Das fehlt.

Klar ist, dass die gestiegenen Kosten nicht den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen aufgebürdet werden dürfen. Die Pflegeversicherung muss bezahlbar bleiben. Sonst sind am Ende immer mehr pflegebedürftige Menschen auf Sozialhilfe angewiesen.

Der Sozialverband der evangelischen Kirche, die Diakonie, würde deshalb jetzt am liebsten die bisherige Teilversicherung, von der Pflegebedürftige einen Zuschuss bekommen, auf ein Pflegevollversicherungsmodell umstellen, pauschal steuerfinanziert. Eine Pflegeversicherung für alle wäre sicher die nachhaltigste Lösung.

Aber wie auch immer: Geredet und gehandelt werden muss. Die Unterfinanzierung der Pflegeversicherung bedeutet nämlich im schlechtesten Fall, dass Pflegebedürftige nicht mehr professionell versorgt werden können und pflegende Angehörige erschöpft aufgeben.

Das wäre, zusätzlich zu allen anderen Krisen, schlicht eine Katastrophe.

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