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Meinung: Rot-Grün ohne Mehrheit: Wenn nur die Wähler nicht wären

Wäre da nicht dieses kleine Umfrage-Manko, dürfte man von einem rundum gelungenen Start der Grünen in den beginnenden Wahlkampf sprechen: Das politische Jahr beginnt damit, dass sich der Bundeskanzler auf gemeinsamen Wahlplakaten auffällig deutlich zum kleinen Partner und seinem Außenminister bekennt. Joschka Fischer selbst macht einen sehr kampfeslustigen Eindruck.

Von Hans Monath

Wäre da nicht dieses kleine Umfrage-Manko, dürfte man von einem rundum gelungenen Start der Grünen in den beginnenden Wahlkampf sprechen: Das politische Jahr beginnt damit, dass sich der Bundeskanzler auf gemeinsamen Wahlplakaten auffällig deutlich zum kleinen Partner und seinem Außenminister bekennt. Joschka Fischer selbst macht einen sehr kampfeslustigen Eindruck. Und dann finden auch noch Sachvorschläge der Grünen ihren Weg in die Schlagzeilen.

Früher galt die Aufmerksamkeit den Grünen meist dann, wenn die Partei die vielfältigen Methoden grüner Selbstzerfleischung und Selbstdemontage vorführte. Nun lautet die spannende Frage, wie viele Vorschläge zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit der kleinere Partner bei der SPD durchsetzen kann. Und welche. Niemand wird den Grünen vorwerfen können, es gehe ihnen allein um Profilierung. Denn der Streit um das wichtigste Thema des Wahljahres ist sinnvoll. Vor Stillstand statt Reformen warnen Schröders grüne Partner den Kanzler schon seit einem halben Jahr.

Auch wenn die scharfen Töne von Peter Struck, dem SPD-Fraktionschef, nun etwas Anderes nahe legen: Zumindest der Kanzler scheint sich unter dem Druck der Zahlen doch auf den Partner zu zu bewegen. So lange die SPD in der koalitionsinternen Debatte um neue Jobs nicht überzieht und die vorgepreschten Reformer nicht demütigt, könnten die Grünen selbst dann noch einen Erfolg vermelden, wenn die meisten ihrer Thesen durchfallen sollten: Denn dann hat der "Reformmotor" in der Regierung, wie die kleinere Partei sich selbst beschreibt, zumindest versucht, mit guten Ideen gegen den Vorwurf des Versagens in der Jobfrage anzugehen - und das zeigt doch auch, dass sie in dem Bündnis mit der eng an die Gewerkschaften gebundenen SPD eine wichtige Rolle spielen.

Das alles sind Entwicklungen, über die sich die Grünen nur freuen können. Wenn da nicht, wie gesagt, dieses Manko wäre, das im Wahljahr in der Demokratie eben mehr ist als nur ein kleiner Schönheitsfehler: Der Wähler scheint nicht oder zumindestens noch nicht bereit zu sein, die neue Geschlossenheit und Entschlossenheit auch entsprechend zu honorieren. Weder für die Koalition insgesamt noch für die Grünen sind die Zahlen der Umfrageinstitute günstig. Wieder einmal geht der Kampf im Herbst, wie man so sagt, um alles.

Zwischen positiver Selbstwahrnehmung der Partei und schwacher öffentlicher Reputation klafft eine große Lücke: Nach dramatischen Wochen, in denen alles auf dem Spiel stand, hatte die Partei in Rostock einen großen Schritt nach vorn gemacht. Tatsächlich scheint seit dem Parteitag zum Antiterroreinsatz ein quälendes Kapitel grüner Parteigeschichte abgeschlossen, nämlich der Übergang von der Oppositions- zur Regierungspartei auf dem Feld der Außenpolitik. Weil die Delegierten von Rostock für ihre Entscheidung gute Gründe hatten, inspirierte dieser Erfolg ein neues Selbstbewusstsein der Grünen: Wir können uns auch mit gutem Gewissen verändern. Dennoch klingt es nun weniger selbstbewusst als trotzig, wenn grüne Spitzenpolitiker zum Auftakt des Wahljahres die eigene Reformbilanz von drei Regierungsjahren beschwören und für den Fall eines Regierungswechsels Deutschlands nicht weniger als den Absturz in die Vormoderne prophezeihen. Dass es so bleibt, wie es ist, mit den Reformen, ist in Zeiten, in denen keiner eine Aufbruchstimmung verspürt, noch keine ausreichende Botschaft. Da braucht es etwas mehr.

Aber die Grünen haben längst ein Problem mit dem, was bei Tony Blair einmal "the vision thing" hieß und eine begeisternde, gleichzeitig humane und dynamische Entwicklung verhieß. Die Ökologenpartei ist mittlerweile an einem Punkt ihrer Entwicklung angekommen, an dem sie zwar tapfer um die Realisierung ihrer Ideen in der Regierung kämpft. Die eigenen Projekte sind nämlich noch nicht abgeschlossen. Aber in der Wiederholung klingt die Beschwörung der "sozialeren ökologischen Modernisierung" des Landes doch irgendwie vertraut, um nicht zu sagen: altvertraut.

Der populärste Grüne ist derjenige, der mit den wenigsten Worthülsen auskommt: Joschka Fischer. Die Debatte darum, ob neben ihm im Wahlkampf noch eine Spitzenkandidatin beworben werden soll, zeigt auch eine Schwäche der Grünen: Außer beim Vizekanzler scheint die Zuordnung von Inhalt und Person nicht zu stimmen. Das muss nicht nur an den Personen liegen.

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