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Jost Müller-Neuhof

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Selbst-Entehrung

Jost Müller-Neuhof über "Mogadischu", die RAF - und die Opfer

Es waren Opfer an Bord der entführten Lufthansamaschine "Landshut", keine Helden; es waren normale Menschen, solche auf Reisen und solche, die sich in Kabine und Kanzel um sie zu kümmern hatten. Das gerät leicht aus dem Blick, wenn man sich, wie Sonntagabend, von der dramatischen, handwerklich ausgezeichneten und ihre Helden feiernden Inszenierung des Entführungsfalls hinreißen lässt. Unmittelbar ins Hier und Jetzt führt das Geschehen, als Kopilot Jürgen Vietor, eben noch im Film ein junger Mann mit kühlem Kopf, nun ein älterer Herr mit fester Meinung, bei "Anne Will" sagt, er wolle sein Bundesverdienstkreuz zurückgeben, weil ihm die bevorstehende Entlassung des RAF-Terroristen Christian Klar unerträglich erscheint. Auch der ehemalige GSG-9-Mann Dieter Fox überlegt, es ihm gleichzutun. Recht haben sie in gewisser Weise, und recht hat auch Christian Klar, in dessen baldiges Strafende ein in jeder Hinsicht einwandfreies rechtsstaatliches Verfahren münden wird.

Wenn aber alle recht haben - wie kann man ihnen gerecht werden? Es fragt sich, ob den Opfern des "Landshut"-Dramas alle Hilfen gewährt wurden. Erzählungen der Ex-Geisel Diana Müll lassen darauf schließen, dass es daran fehlte. An öffentlicher Aufmerksamkeit für Terroristen und ihre Opfer, an der Aufarbeitung ihrer Taten fehlte es dagegen nicht, schon gar nicht in jüngster Zeit. Je länger alles her ist, desto perfekter und gefühliger wird die mediale Reminiszenz. "Mogadischu" war ein neuer Höhepunkt, auch einer der öffentlichen Erregung über den RAF-Terror. Nur: Erregung ist ein schlechter Berater. Das weiß auch Ex-Innenminister Gerhart Baum, der gerne noch einmal mit Vietor über seinen Entschluss geredet hätte.

Wenn Vietor jetzt sein Verdienstkreuz zurückgibt, macht sich das Opfer zum Ankläger. Der Geehrte politisiert seine Ehrung und wendet sie gegen das Land, das ihn ehrte. Ob er sich das wirklich überlegt hat? Es gibt übrigens gute Gründe, staatliche Orden prinzipiell abzulehnen. Wer dies tut, befindet sich in bester Gesellschaft, man denke nur an Helmut Schmidt. Von denen, die einen annehmen, um ihn dann später zurückzugeben, kann man das nicht unbedingt behaupten. Man denke nur an Peter Hartz.

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